Theologisches Notizbuch #9

Christlich Glauben wurzelt im Beten und eine Grundform des Betens ist: um etwas bitten. In jeder Bitte äußert sich ein Begehren. Wie in vielen Religionen wollen auch betende Christen durch eine freundlich bis flehentlich ausgedrückte Bitte auf Gottes Willen einwirken. Was sie wünschen und wollen, soll Wirklichkeit werden. Sofern das Gebet als etwas machtvolles angesehen wird, hat es sogar etwas magisches.

Dem steht das Gebet Jesu gegenüber: „Nicht mein Wille, dein Wille geschehe.“ Ein nicht-magischer Glaube hängt sich nicht an die Vorstellung, Gott würde menschliche Wünsche wahr machen. So ein Glauben mündet entweder in Selbsttäuschung oder in Enttäuschung. Erwachsenes Bittgebet wird im Aussprechen des Gebets zunächst einmal der eigenen Wünsche gewahr: Eine Bitte ist ein wahrgenommener und ausgesprochener Wunsch. Dass der Wunsch Wirklichkeit wird, ist eine damit verbundene Hoffnung, denn natürlich will alles Wünschen und Begehren Verwirklichung. Obwohl das Bittgebet notwendig damit verbunden ist, zu glauben, dass die Verwirklichung des Erbetenen möglich ist, sind Nicht-Verwirklichung und Glaube auf merkwürdige Weise entkoppelt. Gebet ist eben nicht Magie. Gebet ist Poesie des Wünschens.