»Kreatives Schreiben« ist ein schillernder Begriff. Ein einheitliches Konzept steht nicht dahinter. Den Hintergrund bildet das pragmatische Modell des »creative writing«, wie es sich seit Ende des 19. Jahrhunderts in den USA einerseits als praktischer Teil der Literaturwissenschaft, andererseits als Schreibunterricht für ›schreibende Berufe‹ (Journalist:innen, Schriftsteller:innen etc.) entwickelt hat. Das Handwerk der Textproduktion wurde lange Zeit mit den Mitteln der antiken Rhetorik gelehrt, an deren Stelle in der akademischen Ausbildung allmählich Creative Writing trat. In Schreibkursen sollten Studierende lernen, besser lesbare Texte zu „komponieren“. Aus diesen akademischen Wurzel erwuchsen im anglo-amerikanischen Raum während des 20. Jahrhunderts verschiedene Creative-Writing-Ansätze: von universitären Schreibkursen bis hin zu Schreibseminaren für alle.
Wer sich hierzulande und im schulischen oder kirchlichen Kontext mit Kreativem Schreiben beschäftigt, ist schnell Missverständnissen ausgesetzt. Als ich vor einigen Jahren eine erste Fortbildung im Schulreferat zu Kreativem Schreiben anbot, waren zwei enttäuschte Lehrerinnen darunter, die dachten, es ging um Kalligrafie. Zwar kann auch kalligrafisches Arbeiten Element kreativen Schreibens sein, aber im Kern geht es nicht um „schöne Schrift“, sondern um das Herstellen von Texten.
Ein zweites Missverständnis ist das „schöne Schreiben“. Bei einer Fortbildung mit Pfarrerinnen und Pfarrern zeigte ein älterer Kollege sich dieser zwar interessiert, aber zugleich skeptisch: eine Predigt gehe schließlich nicht darin auf, auf der Kanzel in schön gesetzten Worten biblische Geschichten nachzuerzählen. Abgesehen davon, dass das so schlecht gar nicht ist, zielen kreative Schreibmethoden nicht auf Belletristik, sondern auf die Arbeit mit Wort und Schrift in einer großen Bandbreite. Das reicht von Schreibspielen als Lockerungsübungen über Schreibimpulse zur Aktivierung von persönlichen Erinnerungen bis hin zur universitären Schreibberatung.