VELKD-Studie „Traditionsaufbruch“

Traditionsaufbruch. Eine VELKD-Studie

Dieser Text fasst die VELKD-Studie „Traditionsaufbruch“ knapp zusammen, in der das Problem von Traditionsabbruch und Umgang mit Tradition aus evangelischer Sicht beleuchtet wird.·Der Titel ist ein Wortspiel mit programmatischem Charakter. (Bibliografischen Angaben: Wendebourg, Dorothea/ Brandt, Reinhard (Hrsg.), Traditionsaufbruch. Die Bedeutung und Pflege christlicher Institutionenen für Gewißheit, Freiheit und Orientierung in der pluralistischen Gesellschaft, Hannover 2001.)

Hinführung [1]

Christliche Tradition ist Botschaft und Überlieferungsgeschehen, Inhalt und Prozess. Dieser Prozess hat mit der Kanonisierung Gestalt angenommen. Jeder Fortgang des Überlieferungsgeschehens bleibt an diese Gestalt gebunden, weil in ihm der ursprüngliche Sinn der Botschaft von Jesus Christus enthalten ist. Als Kommunikationsprozess gleicht die christliche Überlieferung allen anderen Überlieferungsgeschehen. Allerdings ist über den rein formalen Überlieferungszusammenhang auch Erkenntnis und Verstehen notwendig. Diese kann nicht das Überlieferungsgeschehen selbst, sondern nur das Wirken des Heiligen Geistes in Predigt, Evangelium und Sakramenten gewährleisten (CA V).

Heute verlangt der Überlieferungsprozess aus zwei Gründen besondere Aufmerksamkeit: Erstens schwinden in unseren nachtraditionalen Gesellschaften religiöse und weltanschauliche Traditionen, obwohl die Gesellschaft für ihren inneren Zusammenhalt solcher Überlieferungen bedarf, zweitens hat die ev. Theologie bislang, weil Überlieferungsinstitutionen funktionierten, eine systematische Reflexion auf den Lebens- und Überlieferungszusammenhang vernachlässigt. Die Studie will diese Lücke schließen. Dabei soll die These belegt werden,

„daß die christliche Botschaft überhaupt nur dort überliefert wird und Glaube nur dort entstehen kann, wo insbesondere die vorhandenen Formen der Äußerung christlichen Glaubens und Lebens gepflegt und genutzt werden. In dem Maße, in dem die Pflege der tatsächlich vorhandenen Institutionen […] vernachlässigt wird, kommt es zum Abbruch des Überlieferungsprozesses und zum Missbrauch von Versatzstücken der Überlieferung.“ [9]

A Die christliche Überlieferung und die Entstehung des Glaubens [12]

In der Studie bezeichnet „Überlieferung“ sowohl den Vorgang des Überlieferns (paradidonai; traditio) wie das Überlieferte (paradosis; tradendum). Wo die überlieferte christliche Botschaft in einem Überlieferungsprozess einem Menschen gewiß wird, entsteht ein Glaube, der dazu motiviert, die Botschaft weiter zu sagen. Dieser Zusammenhang wird als „christliche Überlieferung“ gekennzeichnet.

Kapitel I: Die christliche Überlieferung und die Entstehung des Glaubens [15]

1. Der Glaube ist begründet im Offenbarungshandeln Gottes in Jesus Christus. Durch die Gegenwart Gottes in Christus wird Herkunft, Sein und Ziel von Mensch und Welt erschlossen, was heute als Gewissheit erfahren wird durch die Erschließung des Evangeliums. Damit dieser Glaube durch die zeit hindurch entstehen, wachsen und bewahrt werden kann, ist es nötig, dass Christen – als Träger der Überlieferung – ihren Glauben bezeugen durch Bibellesung, Auslegung und freies Zeugnis. Es wird damit allerdings nicht der Glaube tradiert, sondern nur das äußere Wort, das von Menschen gehört werden muss und durch das Wirken des Heiligen Geistes Glauben entstehen lässt.

2. Der Glaube ist allerdings nicht auf die Überlieferung selbst ausgerichtet, sondern auf das Wort Gottes, das sich in der Überlieferung vergegenwärtigt. Aber er ist daran interessiert, die Überlieferung zu pflegen, weil das Mittel ist, durch das sich Gottes Wort präsent hält. Kriterium der Pflege bleibt das Wort Gottes selbst. Dazu ist es wichtig, dass sich feste Formen der Überlieferung ausbilden. Die Kernform ist die Christusbotschaft als Kanon im Gottesdienst, die Heilige Schrift (und ihre Auslegung) und das Bekenntnis. Die Christusbotschaft als Kanon liefert das Kriterium für die Sachgemäßheit des Überlieferungsgeschehens, während der biblische Texte und das Bekenntnis seine Richtschnur – mit der Bibel als norma normans, dem Bekenntnis als norma normata.

Kapitel II: Glaube als Befreiung und Orientierung [35]

1. Der Prozess der christlichen Überlieferung ist kein rein kognitiver Vorgang, sondern Erfahrung der Befreiung von Schuld und Verblendung. Diese Befreiungserfahrung ist es, die dazu motiviert, die Botschaft weiter zu sagen.

2. Durch dieser Befreiungserfahrung gewinnt ein Mensch zugleich Ermutigung und Orientierung für sein Leben – komprimiert im Doppelgebot der Liebe. Das wirkt sich aus auf die Begegnung mit Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen, aber auch allgemeiner auf sein Handeln in der Welt.

Kapitel III: Die Liebe zur christlichen Überlieferung als Motiv zu ihrer Pflege [44]

Das Glaubenszeugnis der Bibel ruft dazu auf, die Heilsbotschaft an die folgende Generation weiter zu geben, etwa im „Höre, Israel“ (Dtn 6,4ff) oder im Tauf- und Missionsbefehl (Mt 28,18ff). Weil aus der Begegnung mit der christlichen Botschaft der Impuls entsteht, diese Botschaft weiter zu sagen, gilt es zugleich, institutionalisierte Formen der Überlieferung auszubilden und diese zu pflegen.

B Rahmenbedingungen religiös-weltanschaulicher Überlieferung in unserer Gesellschaft [47]

Die christliche Überlieferung steht in Wechselwirkung geschichtlichen und gesellschaftlichen Bedingungen, innerhalb derer die Überlieferung geschieht. Die westlichen Gesellschaften bilden eine „hochgradig ausdifferenzierte, nachtraditionale Großöffentlichkeit […], in der programmatisch ein religiös-weltanschaulicher Pluralismus herrscht“ [47]. Der grundsätzliche Zusammenhang, in dem Menschen leben, ist dass sie in Gemeinschaft leben und mit vier Aufgaben konfrontiert sind: 1.) den Lebensunterhalt zu sichern, 2.) eine politische Ordnung aufzubauen und zu erhalten, 3.) Handlungssituation und Wirkungsbedingungen zu kommunizieren und 4.) sich über die Ziele des Lebens und Zusammenlebens klar zu werden. Vor allem der letzte Punkt ist von Bedeutung: Der Mensch muss über Sinn und Ziel seines Lebens Gewissheit erlangen, um daran orientiert in der Welt innengeleitet handeln zu können.

Kapitel I: Zur Struktur nachtraditionaler, pluralistischer Gesellschaften [52]

1. Ausdifferenzierung: Menschen in modernen Gesellschaften leben in dem Spannungsfeld einer für den einzelnen unübersichtlichen Großöffentlichkeit und einem alltäglichen, überschaubareren Nahbereich (in der Studie ‚Lebenswelt’ genannt). Die Ausdifferenzierung beider Bereiche ist soweit fortgeschritten, dass sich viele über die nach wie vor bestehenden Zusammenhänge unklar sind. Auch die vier Aufgaben, die Menschen zu bewältigen haben, sind in Funktionssysteme (Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Religion) und diverse Subsysteme ausdifferenziert. Da diese Funktionen von verschiedenen Institutionen und Organisationen wahrgenommen werden, kann es zu konkurrierenden Funktionsinstanzen kommen. Gleichwohl stehen die Funktionssysteme in Wechselwirkung zueinander. Was den Zusammenhalt einer Gesellschaft auszeichnet, kann als Kennzeichnung ihrer Identität herangezogen werden: In früheren Zeiten war dies die Religion, heute ist es die Wirtschaft. Der Verständigung in der Großöffentlichkeit geschieht durch gedruckte und elektronische Medien. Dies wird besonders dann zum Problem, wenn „reale Zusammenhänge und Wirkungen zwischen Lebenswelt und Öffentlichkeit sowie zwischen den Funktionssystemen unangemessen oder gar nicht medial präsentiert werden; dies führt dann zu systematischen Verzerrungen des gesamtgesellschaftlichen Lebenszusammenhangs“ [60f]. Um in einer solchen Großöffentlichkeit handlungsfähig zu sein, bedarf es einer inneren Orientierung, die zu entwickeln einem System von Bildungseinrichtungen obliegt.

2. Pluralismus: Der Prozess der Ausdifferenzierung hat eine Pluralität von Funktionssystemen zu Folge. Damit geht auch eine Pluralisierung von religiös-weltanschaulichen Gewissheiten und Orientierungen einher: es „herrscht eine Pluralität konkurrierender Traditionen“ [62]. Das Christentum steht dabei nicht nur in Konkurrenz zu anderen Religionen, sondern auch zu weltanschaulichen Traditionen, wie etwa dem aufkärerischen Denken, das der Vernunft eine gewissheitsbegründende Funktion zuschreibt. Angesichts dieser Pluralität hat sich die Auffassung herausgebildet, dass sich die politische Öffentlichkeit zu den konkurrierenden Traditionen neutral verhalten soll, mit der Folge, dass Religion und Weltanschauung zur Privatsache und damit gesamtgesellschaftlich marginalisiert wurde. Es gibt allerdings Gründe dafür, den Neutralitätsanspruch zu bezweifeln, da jedes Handeln von Überzeugungen des Handelnden beeinflusst sind. Das gesellschaftliche Problem besteht nur darin, dass sich einige Religionen und Weltanschauungen explizit als solche zu erkennen geben, andere aber nicht, und dadurch implizit auf Wissenschaft und Politik Einfluss nehmen.

3. Strukturprobleme: Die hochkomplexe Struktur der westlichen Gesellschaften ist mit einer Reihe von Problemen konfrontiert: Erstens driften ein zunehmender Selbstbestimmungsbedarf und eine abnehmende Selbstbestimmungsfähigkeit immer mehr auseinander, zweitens gibt es nationale und internationale ordnungspolitische Probleme wie Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung und drittens eine das Gesamtsystem destabilisierende demographische Entwicklung.

4. Entwicklungstendenzen: Die Situation ist das Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses. Das Christentum und der Protestantismus hat an dieser Entwicklung, insbesondere am veränderten Verhältnis zu religiösen Traditionen, einen entscheidenden Anteil, weil er die Freiheit des Menschen zum Zentrum hat. Weil die Situation geschichtlich geworden ist, ist sie aber auch wandelbar. Dazu ist u.a. zu untersuchen, welche Traditionen den aktuellen und den zukünftigen Orientierungsrahmen gesellschaftlicher Systeme bestimmen.

Kapitel II: Religiös-weltanschauliche Überlieferung in nachtraditionalen, pluralistischen Gesellschaften [77]

1. Welcher Status sollte den Überlieferungen zukommen? – Weil sich die „Wohlordnung“ [78] einer funktional ausdifferenzierten, pluralen und posttraditionalen Gesellschaft nur durch die öffentliche Pflege religiös-weltanschaulicher Überlieferungen erhalten kann, ist eine gesellschaftliche Neuorientierung nötig, die die Überlieferungspflege aus ihrer Privatisierung und Marginalisierung herausholt. Das kann freilich nur unter Anerkennung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen möglich sein: Keine Religion, Konfession oder Weltanschauung kann einen Monopol- oder Totalitätsanspruch erheben. Den gleichberechtigten Dialog der Traditionen zu gestalten, stellt eine politische Daueraufgabe dar.

2. Welcher Status kommt ihnen faktisch zu? – Die religiös-weltanschauliche Überlieferung geschieht implizit oder explizit. Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sind Bereiche, in denen implizite Überlieferungen vorherrschen (z.B. die Subjekt-Objekt-Unterscheidung, die Annahme einer interessenfreien Rationalität oder das mechanistische Weltbild). Solange die impliziten Überlieferungen sich nur auf das wissenschaftliche Arbeit auswirken, ist dies weitgehend unproblematisch. Schwierig ist, das „Wissenschaftlichkeit“ ein gesellschaftliches Leitbild abgibt, nach dem öffentlich nur als wahr gilt, was wissenschaftlich als wahr erkannt wird. Explizit religiöse und weltanschauliche Orientierungen, die den Anspruch „allgemeiner Vernünftigkeit“ nicht erheben, sind demgegenüber privat und weitgehend marginal. Die Folgen sind u.a., dass Religionen, die mit dem Anspruch allgemeiner Orientierungsfähigkeit auftreten, zu dem Selbstwiderspruch gezwungen sind, sich durch den Rückzug ins Private zu relativieren, während die öffentlich Geltung beanspruchenden Leitannahmen in Wissenschaft und Politik ihre impliziten Abhängigkeiten programmatisch abblenden muss, um ihren Anspruch auf Neutralität aufrecht erhalten zu können.

3. Welche Korrekturen sind nötig? – Zunächst muss der implizite weltanschauliche Gehalt der angeblich neutralen wissenschaftlichen etc. Ansätze offengelegt werden. Zum anderen müssen die expliziten Traditionen der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften an Einfluss gewinnen. Das wäre nicht nur im Interesse der Religionsgemeinschaften, sondern der Gesellschaft insgesamt.

Zu diesem Zweck müssen die Religions- und Weltanschauungen zusammenarbeiten und ihren Dialog untereinander so institutionalisieren, dass er Einfluss auf die Gesellschaft nehmen kann. Als Partner in diesem Dialog kommen aber nur jene Gemeinschaften in Frage, die auf ein innengeleitetes Handeln und die Selbstbestimmungsfähigkeit abzielen. Dazu müssen bereits vorhandene Freiräume effektiv genutzt und Bildungsinstitutionen gepflegt werden. Insgesamt gilt es, die Bedingungen moderner Gesellschaften zu berücksichtigen, ohne sich ihnen anzupassen.

C Christliche Überlieferung in unserer Gesellschaft [89]

Kapitel I: Der institutionelle Charakter der christlichen Überlieferung [91]

In der Studie wird der Begriff der Institution (in Anlehnung an A. Gehlen) in einem weiten Sinne als auf Dauer, Widerholung und Verständigung angelegte, regelmäßige Kommunikation und Interaktion verstanden. Das ganze christliche Leben vollzieht sich im Zusammenhang solcher Institutionen (Beispiele solcher Institution sind etwa in einem Seelsorgegespräch, dass es in dem Gespräch um eine Person und ihre Bezüge geht, dass die Gesprächssituation asymmetrisch und von ‚normalen’ Unterhalten unterschieden oder dass der Gesprächspartner sich auf die Verschwiegenheit seines Gegenübers verlassen kann).

„Das christliche Leben insgesamt dient der christlichen Überlieferung.“ [93]

Es vollzieht sich gleichzeitig 1.) auf der Ebene der Gemeinschaft in der Lebenswelt, 2.) der Ebene der gesamtgesellschaftlichen Öffentlichkeit und 3.) der Ebene des persönlichen Lebens. Alle drei Ebenen sind Orte der christlichen Überlieferung mit je unterschiedlichen Institutionen. Diese Unterscheidung entspricht der Unterscheidung von Gehalten des christlichen Glaubens und ihren jeweils überlieferten Gestalten.

Kapitel II: Die Institutionen christlicher Überlieferung in der pluralistischen Gesellschaft [99]

Das Leben des einzelnen Christen, christlicher Familien und Gemeinden ist in gesamtkirchliche Institutionen und Ordnungen eingebunden, die der Überlieferung im Alltagsleben dienen und zugleich den christlichen Glauben in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit präsent halten (dazu gehören z.B. die Lehr-, Gottesdienst-, Lebens- und Rechtsordnung). Sie werden konkret in den kirchlichen Organisation, die die Aufgaben hat, den christlichen Glauben 1.) gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen und 2.) gegenüber den anderen gesellschaftlichen Funktionsbereichen zu repräsentieren. Zentrale Orte der Überlieferung in der Lebenswelt sind das christliche Haus, die Ortsgemeinde und ihre Institutionen sowie die persönliche Frömmigkeit des einzelnen Christen. Auf allen Ebenen steht die Christusbotschaft in Konkurrenz mit anderen Religionen und Lebensgemeinschaften, und es gilt angesichts dieser Situation in der modernen Gesellschaft, die Vielfalt der christlichen Überlieferung so zu pflegen, dass sie eindrucksvoll und einladend wirkt.

Kapitel III: Christliche Überlieferung in Institutionen der Lebenswelt [114]

Wichtiger lebensweltliche Überlieferungsorte sind der sonntägliche Gottesdienst und die gemeindlichen Institutionen der Lebensbegleitung (z.B. Kasualien, seelsorgerlich-diakonische Institutionen, kirchliche Bildungseinrichtungen und gemeindliche Kreise). Neben diesen Institutionen der verfassten Kirche hängt die Überlieferung vom privatem Engagement des Einzelnen ab, in der Familie ebenso wie im Beruf, durch die Beteiligung in christlichen Gemeinschaften und Vereinen, durch den Einsatz beruflicher Qualifikationen (Künstler, Unternehmer, Ärzte). Es gehört zum evangelischen Selbstverständnis, dass alle Christen durch die Taufe befähigt sind, Verantwortung für die christliche Überlieferung zu übernehmen und diese Aufgabe aus einer Glaubensgemeinschaft heraus wahrnehmen. Als Grundprinzip privat verantworteter Überlieferung gilt:

„Dieses privat verantworteten Vollzugsweisen der christlichen Überlieferung dürfen von kirchlicher Seite weder vereinnahmt noch allein gelassen werden. Von privater Seite darf man sich weder dadurch entlasten, daß man die christliche Überlieferung ganz an kirchliche Aktivitäten delegiert, noch darf man sich umgekehrt diesen gegenüber isolieren.“ [148]

Kapitel IV: Christliche Überlieferung in Institutionen der gesellschaftlichen Öffentlichkeit [156]

Auf der Ebene der gesellschaftlichen Öffentlichkeit übernimmt die landeskirchliche Organisation und ihre Verwaltung die Aufgabe der Überlieferung, indem sie in expliziter wie impliziter Auseinandersetzung mit anderen Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften, den gesellschaftlichen Funktionsbereichen, dem öffentlichen Bildungswesen und den Medien das christliche Daseinsverständnis und eine entsprechende ethische Orientierung vermittelt. Sie ist auch für die Ordnung der kirchlichen Ämter sowie die Aus- und Fortbildung zuständig. Dies gilt für das Pfarr- und Bischofsamt sowie für die Ausrichtung von Lehre und Unterricht. Durch ihr überregionales Handeln

„ordnet, pflegt und unterhält [die Kirchenleitung; KD] die Rahmenbedingungen, ohne deren Erhaltung christliche Überlieferung in den lebensweltlichen Institutionen nicht möglich ist“ [168]

Unverzichtbar ist dabei, dass einzelne Christen in ihren vielfältigen Beziehungen ihren Glauben öffentlich bezeugen. Dies gilt insbesondere für jene Christen, die eine Funktion in der Öffentlichkeit inne haben.

Kapitel V: Christliche Überlieferung im Leben der einzelnen [193]

In allen Institutionen des christlichen Glaubens sind es einzelne Menschen, die durch ihr Leben und Handeln das Christuszeugnis überliefern. Sie werden motiviert durch ihre Spiritualität. Diese trägt alle institutionalisierten Formen der Überlieferung, während die Formen (z.B. Gottesdienste, Andachten, Kirchenmusik) der Spiritualität des einzelnen dienen. Das ist in der evangelischen Kirche nicht immer gesehen worden. Es sollte aber daraus die Konsequenz gezogen werden, Formen persönlicher Frömmigkeit in ihrem ganzen Reichtum auszubilden und zu pflegen.

Kapitel VI: Der Zusammenhang der Überlieferungsorte [200]

Die Institutionen der Überlieferung sind auf den einzelnen Ebenen miteinander verbunden und müssen es sein (z.. durch Verweise auf die Jugendarbeit im Gottesdienst etc.)

Schluß: Die Bildungskraft der christlichen Überlieferung [209]

Von der Gewissheit über sein Leben und seine Lebensziele hängt die „Lebenstüchtigkeit“ [209] des Menschen ab. Das gilt es gerade in modernen Gesellschaften zu betonen: Weil ihnen in einem hohem Maße ein selbständiges Leben zugemutet wird, benötigen sie eine innere Gewissheit als Fundament für ihr Leben.

„Die Institutionen der christlichen Überlieferung sind Institutionen eben solcher Gewißheitsbildung.“

„Es sind Institutionen des Traditionsaufbruchs.“ [213]