Wissenschaftlich kreativ

Trocken und eintönig zu sein, das ist der Ruf, der wissenschaftlichen Texten oft vorausgeht, wenn sie nicht gleich ganz als unlesbar gelten. Auch wenn das nicht immer abzustreiten ist, hat sich daran in den letzten zwei Jahrzehnten einiges geändert. An den meisten Universitäten gibt es heute beispielsweise Schreibzentren. Sie geben nicht nur praktische Anleitungen für das Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten. Auch Methoden des Kreativen Schreibens haben längst Eingang ins wissenschaftliche Schreiben gefunden. Viele Bücher über das Anfertigen von Haus-, Bachelor- oder Masterarbeiten konzentrieren sich auf die formalen Anforderungen wie korrekte Zitierweisen. Ausnahmen sind Frank L. Cioffis (auf Deutsch vergriffenes) „Kreatives Schreiben für Studenten & Professoren“ und Ulrike Scheuermanns „Schreibdenken“. Julia Genz hat gerade eine gute Ergänzung vorgelegt: „Wissenschaftlich arbeiten mit kreativen Techniken“.

Julia Genz versucht zu zeigen, dass wissenschaftliches Schreiben nicht nur Pflicht sein muss, sondern auch Kür sein kann. Sie richtet sich mit ihrer kleinen, praktischen Anleitung an Studierende aller Fachrichtungen sowie Promovierende. Sie zeigt, dass Methoden des kreativen Schreibens nicht nur die Freude an der wissenschaftlichen Arbeit, sondern auch die Qualität wissenschaftlichen Schreibens steigern können. Dazu stellt sie abwechslungsreiche Übungen und inspirierende Aufgaben vor und gibt Impulse für bessere Texte, um letztlich die Schreibkompetenz insgesamt zu trainieren.

Genz hat Germanistik und Komparatistik studiert und war nach Promotion und Habilitation unter anderem an den Universitäten Köln und Duisburg-Essen tätig. Seit 2017 unterrichtet Genz Literaturwissenschaft an der Universität Witten/Herdecke. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Neueren deutschen Literatur, Literaturtheorie sowie Medien- und Kulturtheorie. 2022 hat sie bei UTB bereits das „Handbuch Kreatives Schreiben“ veröffentlicht.

„Wissenschaftlich arbeiten mit kreativen Techniken“ betrachtet unterschiedliche Aspekte des wissenschaftlichen Schreibens. Im Aufbau folgt es den Schreibphasen einer wissenschaftlichen Arbeit. Es geht ihr dabei aber ausdrücklich nicht darum, in formale Aspekte einer wissenschaftlichen Arbeit einzuführen. Vielmehr will Julia Genz Anstöße geben, in allen Schreibphasen und für ganz unterschiedliche Schreibtypen kreative Methoden zum Denken und Schreiben zu nutzen.

Zu Beginn wird der Zusammenhang zwischen kreativem und wissenschaftlichem Schreiben skizziert und erläutert, wie kreative Techniken das wissenschaftliche Arbeiten bereichern können. Einige Kapitelüberschriften geben bereits Hinweise, wie Genz dabei vorgeht:

  • „Poetisiere dein Studium!“
  • „Nutze die Kraft von Schreibspielen!“
  • „Arbeite an deinen Kernaussagen!“
  • „Finde deine eigene Stimme!“
  • „Denke über die Hausarbeit/Facharbeit hinaus“

Einige der Übungen selbst sind nicht unbedingt völlig überraschend: Mindmaps und Cluster, Collagen, Stichwortlisten und Karteikarten sind bewährte Methoden, die an anderen Stellen, etwa in Scheuermanns „Schreibdenken“, detaillierter erklärt werden. Trotzdem finden sich viele eigenständige Ansätze, die ich anregend finde. Mir gefallen beispielsweise sehr gut die Abschnitte zur Reflexion eigener Werte und Wertungen und das bewusste Nutzen insbesondere fachspezifischer Metaphern. Auch die Hinweise, mit zum Teil lyrischen Methoden die eigenen Kernaussagen zu schärfen, finde ich hilfreich. Spannend ist auch das Schlusskapitel, das Anstöße gibt, hinauszudenken über den unmittelbaren Zweck der Arbeit, eine notwendige Studienleistung (etwa in Form einer Hausarbeit) „abzuhaken“, und nach weiteren Möglichkeiten der thematischen Vernetzung zu suchen.

FAZIT: Insgesamt gefällt mir „Wissenschaftlich arbeiten mit kreativen Techniken“ durch seinen praxisnahen Ansatz und die m.E. gelungene Verbindung von Kreativität und Wissenschaft. Es ersetzt nicht die Handreichungen für die formale Gestaltung einer wissenschaftlichen Arbeit und ist methodisch auch nicht so breit aufgestellt, wie etwa Scheuermanns „Schreibdenken“. Aber die zahlreichen Übungen und Beispiele machen das Buch zu einem anregenden, zusätzlichen Begleiter für Studierende, die ihre wissenschaftliche Schreibkompetenz mit kreativen und zum Teil literarischen Methoden verbessern möchten.

Genz, Julia: Wissenschaftlich arbeiten mit kreativen Techniken, Paderborn: UTB 2025.
140 Seiten | 15 € | ISBN: 978-3-8252-6418-5.

Infos zur Autorin: Internetseite von Julia Genz

Ewige Anfänger

Mit jedem neuen Text fängt man neu an zu lernen, wie Schreiben geht. So oder ähnlich haben bekannte Schriftstellerinnen – von Günter Grass über Cormac McCarthy bis zu J.K. Rowling – obwohl sie schon mehrere Bücher verfasst haben, das Gefühl auf den Punkt gebracht, mit jedem Werk wieder Anfänger zu sein. Klar, jede und jeder entwickelt eigene Routinen, um die Schreibaufgabe zu bewältigen und natürlich lernen wir aus Erfahrungen. Aber beim Schreiben bleiben wir ewige Anfänger. Dabei ist es egal, ob es um ein Gedicht geht, eine Kurzgeschichte, einen Roman oder auch eine Predigt.

Andreas Thalmayrs Buch „Schreiben für ewige Anfänger“ knüpft an diese Erfahrung an. „Andreas Thalmayer“ ist ein Pseudonym von Hans Magnus Enzensberger, der gerne mit verschiedenen Identitäten spielte und etwa auf dem Klappentext als Kritiker von Thalmayer auftritt. Das kleine, schmale Büchlein von gerade einmal 108 Seiten (von denen 18 drei „Supplemente“ von Chr. M. Wieland, M.V. Llosa und D. Kiš sind) besteht aus 27 fiktiven Briefen an einen „Manuel Zögler“, der ein Manuskript an den Autor geschickt hat.

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Die eigene Geschichte erzählen

„Erzähl uns deine Geschichte!“ – Diese einfache Aufforderung bringt Bobette Busters Storytelling-Ansatz auf den Punkt. Buster ist davon überzeugt, dass jede und jeder eine Geschichte zu erzählen hat. Das Problem ist nur, dass diese Geschichte oft überlagert ist von der Angst, zu viel von sich preiszugeben, seine Wunden zu zeigen oder zu meinen, dass man nichts interessantes zu erzählen hat. Deshalb wird die Geschichte dann künstlich aufbauscht mit Fakten und Details, die keinen interessieren. Die „Story hinter der Story“ (S. 65 ff) freizulegen, und die eigene Geschichte so zu erzählen, dass die Welt zuhört – darum geht es in „Story“.

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Ein Gespräch mit sich selbst

Olaf Georg Klein über das Tagebuchschreiben

„Wenn man ein Tagebuch noch einmal durchliest”, schrieb einmal Truman Capote in einem Reisebericht, „dann meistens die weniger ehrgeizigen Eintragungen jene beiläufigen Zufallsnotizen, die jedoch immer eine tiefe Furche durch die Erinnerung ziehen.“ Es liegt vermutlich an dem, was man heute „Authentizität” nennt, dass gerade nicht die kunstvoll gedrechselten Worte, sondern die eher beiläufigen und noch rohen Notate viel eindrücklicher wirken. Sie erzeugen zumindest den Eindruck, dass sie die unmittelbare Situation der Niederschrift doch irgendwie mittelbar machen.

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Wortspiele

Preacher-Slams scheinen gerade der „heiße Scheiß“ (Christian Binder) der Homiletik zu sein. Holger Pyka, Pfarrer in Wuppertal und selbst als Preacher-Slammer unterwegs hat nun ein Buch dazu herausgebracht: „Spiel mit dem Wort. Kreatives Schreiben für Predigt und Preacher-Slam“. Auf rund 170 Seiten skizziert Pyka knapp und pointiert, wie Preacher-Slam und Kreatives Schreiben die Predigtpraxis bereichern kann. „Wortspiele“ weiterlesen

Mit Fingerübungen beginnen

„Aller Anfang ist schwer“ oder „Anfangen ist leicht“ – Sprichwörter transportieren oft sehr gegensätzliche Erfahrungen. In der Tat: Den einen fällt es leicht, etwas Neues anzufangen, nur haben sie Schwierigkeiten, dabei zu bleiben. Andere warten auf einen entscheidenden Impuls um anzufangen und schieben den Start vor sich her. Diese Erfahrungen machen auch Menschen, die schreiben. Die einen haben die Schublade voller vielversprechender Anfänge, die anderen den Kopf voller Ideen, aber das Blatt bleibt leer. „Mit Fingerübungen beginnen“ weiterlesen

Predigten komponieren

Schreiben führt in der Predigtvorbereitung zwar nicht zwingend zu guten Predigten, kann aber helfen, “theologische und lebenspraktische Themen intellektuell zu durchdringen, sowie … sich Glaubensinhalte und Traditionsfragmente anzueignen. Predigtschreiben kann dazu beitragen, dass Pfarrpersonen in ihrer seelischen, geistigen und geistlichen Existenz wachsen.“ (S. 372) Zu diesem Ergebnis kommt Annette Müller in ihrer Dissertation “Predigt schreiben”. Sie hat dafür empirisch untersucht, was eigentlich geschieht, wenn Predigerinnen und Prediger ihr Predigtmanuskript erstellen. Damit kommt dem Schreiben in der Predigtvorbereitung eine wichtige Funktion zu: Es wird “eingesetzt, um kreativ und verantwortlich Theologie zu treiben“ (S. 394). „Predigten komponieren“ weiterlesen

Mit Jugendlichen zur Sprache kommen

Cover "Spirituelle Schreibwerkstatt" - www.herder.de
Cover „Spirituelle Schreibwerkstatt“ – www.herder.de

Stephan Siggs „Spirituelle Schreibwerkstatt“ hat mich im Laden gleich angesprungen – aber trotz guter Ideen ist das Buch auch eine Mogelpackung. Treffender wäre ein Titel wie „Mit Jugendlichen zur Sprache kommen. Reden und Schreiben über den Glauben.“ Aber wahrscheinlich hätte ich das Buch bei so einem Titel eher liegen gelassen. Die „Spirituelle Schreibwerkstatt“ (mit dem Untertitel „mit jungen Menschen“) ist auf jeden Fall der ansprechendere Titel. „Mit Jugendlichen zur Sprache kommen“ weiterlesen