Homiletik als Wahrnehmungslehre

Notizen zu Hans-Günter Heimbrocks Predigtverständnis

Von David Buttricks Homiletik hieß es, es sei ein phänomenologischer Ansatz. Tatsächlich lassen sich bei Buttrick viele phänomenologische Bezüge ausmachen. Ähnlich gilt von Hans-Günter Heimbrock, der sich in seiner „phänomenologisch inspirierten“ Homiletik auf den Aspekt der Wahrnehmung konzentriert. Dazu ein paar Lektürenotizen.

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Intention und Bewegung

In eigener Sache: Mein Buttrick-Aufsatz in PrTh

So, jetzt ist mein Buttrick-Aufsatz in der Praktischen Theologie erschienen. Die Arbeit daran war ein Highlight im vergangenen Jahr und ich bin schon ein bisschen stolz, dass ich dafür angefragt wurde.

Der Aufsatz heißt „Intention und Bewegung. David G. Buttricks phänomenologische Homiletik“, und ist veröffentlicht in der Zeitschrift Praktische Theologie (PrTh), 57. Jg., H. 2 (2022), 100–109.

Hier der Link zur Verlagsseite: https://www.degruyter.com/document/doi/10.14315/prth-2022-570209

(ist allerdings mit 30€ ein wenig teuer für bescheidene 9 Seiten. Aber es gibt ja Bibliotheken.)

Coole Moves

Buttricks Verständnis von Moves

Vor ein paar Jahren waren Fidget Spinner bei Kindern sehr beliebt: ein Spielzeugkreisel, bei dem sich eine Art Flügelanordnung um ein Kugellager in der Mitte dreht. Vergeblich haben ein paar Konfirmanden versucht, mir ein paar „coole Moves“ beizubringen: Unterschiedliche Handgriffe von variabler Komplexität, die sich bei den Könnern zu faszinierenden Fingerchoreografien kombinieren lassen. Eine ähnliche Funktion erfüllen „Moves“ auch in anderen Bereichen: Es sind kleine Bewegungseinheiten, die sich beim Tanzen, Surfen oder Skateboarden zu komplexen Bewegungsabläufen kombinieren lassen und bei Zuschauern ein Staunen auslösen. Coole Moves eben.

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Das Geschenk der Tradition

Was autorisiert das eigene Reden in der Predigt?, fragt David Buttrick. Oft dient die Bezugnahme auf Bibel und Tradition zur Autorisierung von dogmatischen Aussagen und moralischen Forderungen. Buttrick stellt das in Frage: Christliches Leben und damit auch die Predigt ist möglich ohne einen Begriff von Autorität, selbst wenn man der Bibel und Tradition eine normative Kraft zugesteht.

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Riskante Texte versuchen

„Jede Woche ein Kampf um einen Text, der im Idealfall nicht auf Nummer sicher geht, nicht regelgemäß, tausend­mal gehört, gut geölt und ganz okay klingt, sondern angreifbar, irgendwie besonders und auch mal schwer daneben.“ – Harald Martenstein erzählt von seinem Ringen mit den Lektoren um seine wöchentliche Kolumne im ZEIT-Magazin (16/2021). Spannend finde ich dabei den Anspruch, den er dabei für seine Texte formuliert. Es sollen riskante Texte sein. Für mich klingt das nach einem Predigtideal: Eine Predigt, die das sichere Terrain verlässt und etwas versucht – und zwar nicht nur in Form manieristische Spielereien, zu denen die Dramaturgische Homiletik geführt hat, sondern eher wie echte Essays – Texte, in denen jemand wirklich mit einem Gegenstand ringt.

Dazu noch ein Zitat als weiteren Gedanken: „Ich erwarte [von einer Predigt] eine Neuigkeit für mich, etwas, das mich, wenn auch geringfügig, ändert, etwas, das mir eine noch nicht gedachte, noch nicht bewusste Möglichkeit der Wirklichkeit bewusst macht, eine neue Möglichkeit zu sehen, zu sprechen, zu denken, zu existieren.“ Was Peter Handke in seinem Essay „Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms“ 1967 als Leser und Autor von Literatur erwartet, gilt mutatis mutandis auch für die Predigt: Im Original steht an der Stelle der Klammer im Zitat „von einem literarischen Werk“, aber der Satz funktioniert auch so und drückt für mich perfekt aus, was ich als Predigthörer und Prediger erwarte.

(Sieh auch Ist das Feuilleton die Predigt von heute?)

Perspektive in der Predigt

“Die Sprache der Predigt ist wie alles menschliche Sprechen radikal perspektivisch”, schreibt David Buttrick. Der Satz leuchtet zwar unmittelbar ein, aber in der homiletischen Literatur taucht die Frage nach der Perspektive kaum auf. Vielleicht liegt es daran, dass die Frage nach der Perspektive vor allem im Blick auf narrative und fiktionale Texte auf der Hand liegt. Doch wenn alles Sprechen perspektivisch ist, wie Buttrick behauptet, dann gilt das eben auch für die Predigt und dann wäre die Frage zu stellen, warum denn ein Nachdenken über die Perspektivität der Predigt sich lohnen könnte.

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Die eigene Geschichte erzählen

„Erzähl uns deine Geschichte!“ – Diese einfache Aufforderung bringt Bobette Busters Storytelling-Ansatz auf den Punkt. Buster ist davon überzeugt, dass jede und jeder eine Geschichte zu erzählen hat. Das Problem ist nur, dass diese Geschichte oft überlagert ist von der Angst, zu viel von sich preiszugeben, seine Wunden zu zeigen oder zu meinen, dass man nichts interessantes zu erzählen hat. Deshalb wird die Geschichte dann künstlich aufbauscht mit Fakten und Details, die keinen interessieren. Die „Story hinter der Story“ (S. 65 ff) freizulegen, und die eigene Geschichte so zu erzählen, dass die Welt zuhört – darum geht es in „Story“.

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Theologisches Notizbuch #10

In Gottes Namen wird Gottesdienst gefeiert und Gott mit „Gott“ angeredet, aber dabei wird gerne keine Kleinigkeit übersehen: Anders nämlich, als der Gebrauch des Wortes zum Beispiel in der Gebetssprache nahelegt, ist „Gott“ kein Eigenname, sondern ursprünglich ein Gattungsbegriff. Die hebräische Gattungsbezeichnung ist „El“ oder auch das Pluralwort „Elohim“; von „El“ leitet sich auch das arabische „Allah“ ab. Die Welt der Bibel ist voller Götter, aber in den Geschichten der Bibel erweist der Gott Israels sich als der Mächtigste von ihnen. Zur Unterscheidung von Gott und den Göttern wenden die Autoren des Alten Testaments beim Gattungsbegriff „Elohim“ einen interessanten, sprachlichen Trick an: Ist vom Gott Israels die Rede, wird das Pluralwort „Elohim“ mit Verben im Singular verwendet. Ist dagegen von anderen Göttern die Rede, steht „Elohim“ in der Regel mit Verben im Plural. Der Gott, in dessen Namen wir Gottesdienst feiern und den wir im Gebet ansprechen, hat einen Namen.

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