Reden über die Religion 4

In der vierten Rede über die Religion führt Schleiermacher aus, warum Gemeinschaft zentral ist für das religiöse Leben. Dieser Gemeinschaftsaspekt läuft allerdings an manchen Punkten wahrer Religiosität entgegen. Das liegt für Schleiermacher vor allem in der engen Verbindung von Staat und Kirche. Der Staat macht sich bestimmte religiöse Aspekte zu eigen und delegiert an die Kirche Aufgaben wie die Erziehung und die Etablierung moralischer Regeln und verbindet religiöse Rituale wie Taufe und Konfirmation mit bürgerlichen Anliegen. Die Kirche wiederum genießt die Bedeutsamkeit der Rolle, die ihr der Staat ermöglicht. Dadurch gerät die Kirche aber in eine unglückliche Abhängigkeit, bei der am Ende die bürgerlichen Bürokraten in der Kirche mehr zu sagen haben als die religösen Virtuosen. Wichtig ist für Schleiermacher daher, dass religiöse Gemeinschaften ihre Freiheit wiedererlangen und sich ihre Unabhängigkeit bewahren.

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Reden über die Religion 3

In Schleiermachers dritter Rede über die Religion geht es um religiöse Bildung und die Frage, inwieweit Religion lehrbar ist. Schleiermacher kritisiert einerseits die aufklärerische Pädagogik, die alles unter Nützlichkeitsaspekten betrachtet und im Religionsunterricht Geschichten erzählt, aus denen man etwas moralisch lernen soll. Andererseits kritisiert er aber auch die voraufklärerische Pädagogik, die planlos (Schleiermacher spricht hier in Anlehung an Kant von „mechanisch“) Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt. Dem stellt Schleiermacher etwas gegenüber, was man heute einen „subjektorientierten“ Ansatz nennen würde. Das Paradigma, an dem Schleiermacher sich beim religiöser Bildung orientiert, ist die Kunst. Schleiermacher entfaltet hier viele Begriffe, die er in der zweiten Rede eingeführt hat.

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Reden über die Religion 1

1799 wendet sich Friedrich Schleiermacher anonym mit fünf „Reden“ an gebildete Religionskritiker. Eigentlich sind es keine Reden, sondern fünf Kapitel einer Abhandlung oder eines Essays über ein frühromantisches Religionsverständnis. Erst gut vier Jahre nach der ersten Veröffentlichung hat Schleiermacher offen zugegeben, der Autor der Reden zu sein. In den Jahren danach hat es mehrere Überarbeitungen gegeben.

Ich wage hier mal den Versuch, meine Lektürenotizen im Zusammenhang zu veröffentlichen. Grundlage ist die Ausgabe von 1799 in der Fassung aus dem Felix-Meiner-Verlag. Den „Ich“Stil der Reden behalte ich bei, um nicht „über“ die Reden zu reden, sondern die Reden quasi als Kurzfassung in einer im Zusammenhang lesbaren Form reden zu lassen. Weil ich kein Schleiermacher-Experte bin, ist das natürlich mit Vorsicht zu genießen. Wer mag, kann mir gerne per Mail oder Mastodon kritische Rückmeldung geben. Vor ein paar Tagen habe ich was zum Hintergrund dieses Projekts geschrieben

Los geht es mit der 1. Rede, der „Apologie“.

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Religiöses Bewusstsein

Im Zuge der Auseinandersetzung mit David Buttrick habe ich mir nach vielen Jahren Friedrich Schleiermachers „Reden über die Religion“ wieder einmal vorgenommen. Mich hat dabei v.a. interessiert, wie Schleiermacher mit den Begriffen des Bewusstseins und des Subjekts umgeht. Obwohl Schleiermacher der bedeutendste Theologe des 19. Jahrhunderts war, kannte ich ihn bis zum Studium nicht. Das geht vielen außerhalb der Theologie so, wie ich immer wieder feststelle.

Vor allem das Frühwerk „Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern“ hat mich damals angesprochen. Seitdem ging es mir dabei wie bei einem vor Jahren gelesenen Roman, mit dem sich eine bestimmte Stimmung verbindet, ohne dass ich den Inhalt nacherzählen kann. Nur die üblichen Stichworte blieben im Gedächtnis. Aber irgendwie inspirierte das Buch mich untergründig weiterhin. Jetzt, beim Wiederlesen, haben ich auch gemerkt, warum: Schleiermacher denkt mit großer Kühnheit über Religion nach, ohne sich an dogmatischen Richtigkeiten zu orientieren. Dabei gibt es eine merkwürdige Spannung zwischen einer großen Frömmigkeit und einer geradezu häretischen Offenheit.

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Das rote Notizbuch

Eines meiner Lieblingsweihnachtsbücher ist „Wirklich wahre Weihnachtsgeschichten“ von Margret Rettich, das in meiner Ausgabe noch in einen leuchtendroten Umschlag eingebunden ist. Sind die Geschichten wirklich wahr? – „Solange auch nur ein Mensch daran glaubt, gibt es keine Geschichte, die nicht wahr sein kann“, sagt der Ich-Erzähler in Paul Austers kleiner Erzählung „Auggie Wrens Weihnachtsgeschichte“. Im Film „Smoke“ stellt Harvey Keitel diesen Auggie Wren dar und er erzählt auch eine Geschichte, von der unklar ist, ob sie wirklich wahr ist. Aber was heißt das schon? Paul Auster hat in einem „roten Notizbuch“ höchst unwahrscheinliche, von merkwürdigen Zufällen geprägte, wirklich wahre Geschichten gesammelt.

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Recherchieren und Spuren lesen

Wilhelm Schapp hat die Wendung vom „In Geschichten verstrickt“ sein geprägt und meint damit, dass nichts und niemand dieser Verstrickung entkommen kommen kann. Er meint sogar: Wir sind diese Geschichten. Paul Nizons Erzählung „Hund“ handelt von dem Versuch, sich nicht in Geschichten hineinziehen zu lassen. Es ist ein radikales Streben nach Freiheit. „Jede Geschichte ist ein Polizist, der dich verhaftet und einsperrt“ (35), sagt der Ich-Erzähler.

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Dankeschön und Amen

Was verbindet Stand-up-Comedy und Poetry-Slam mit der Predigt? Beim Stand-up-Comedy und Poetry-Slam treten meistens mehrerer Künstlerinnen und Künstler nacheinander auf. Sie präsentieren einen kurze Beitrag und treten dann ab und ein neuer Beitrag wird anmoderiert. Mir ist dabei aufgefallen, wie schwer es bei Redebeiträgen (im Unterschied zu Musikstücken) offenbar ist, einen Beitrag so beenden, dass man unmittelbar merkt: Das war jetzt der Schluss. Das Problem, eine Ende zu finden, das nach Ende klingt, verbindet offensichtlich Stand-up-Comedy und Poetry-Slam mit Predigt und Preacher Slam.

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Strukturieren

Arbeiten an der Form ist Arbeiten an der Struktur. Es geht darum, sich beim Schreiben immer wieder bewusst zu machen, wie der Text aufgebaut ist. Je nach Schreibstrategie geschieht dies bereits planend vor dem Schreibbeginn, ergibt sich während des Schreibprozess oder kann nachträglich in das Geschriebene eingetragen werden. Beim Strukturieren helfen grafische Gliederungsmethoden wie MindMap, Text- und Gedankenpfad oder Notizzettel mit den einzelnen Punkten, die unterschiedlich arrangiert werden können. Diese Methoden helfen, den Gedankengang in eine Sequenz einzelner Schritte aufzuteilen und sich immer wieder neu zu überlegen: Ist diese Schrittfolge sinnvoll und nachvollziehbar bzw. ist sie es noch?

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Die Angst vor’m leeren Blatt

Schreiben ist ein komplexer und damit störanfälliger Prozess. Schreiben sollen oder wollen, aber nicht wissen wie und was und womit anfangen – das ist die sprichwörtliche Angst vor dem leeren Blatt. Weil das Problem komplex ist, gibt es keine einfachen Lösungen bzw. um zu einer Lösung zu kommen, muss man erstmal das Problem analysieren. Wer z.B. keine Lust hat, einen Text zu schreiben, steht vor einem anderen Problem als jemand, der Schwierigkeiten hat, sich auszudrücken.

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