Mit jedem neuen Text fängt man neu an zu lernen, wie Schreiben geht. So oder ähnlich haben bekannte Schriftstellerinnen – von Günter Grass über Cormac McCarthy bis zu J.K. Rowling – obwohl sie schon mehrere Bücher verfasst haben, das Gefühl auf den Punkt gebracht, mit jedem Werk wieder Anfänger zu sein. Klar, jede und jeder entwickelt eigene Routinen, um die Schreibaufgabe zu bewältigen und natürlich lernen wir aus Erfahrungen. Aber beim Schreiben bleiben wir ewige Anfänger. Dabei ist es egal, ob es um ein Gedicht geht, eine Kurzgeschichte, einen Roman oder auch eine Predigt.
Andreas Thalmayrs Buch „Schreiben für ewige Anfänger“ knüpft an diese Erfahrung an. „Andreas Thalmayer“ ist ein Pseudonym von Hans Magnus Enzensberger, der gerne mit verschiedenen Identitäten spielte und etwa auf dem Klappentext als Kritiker von Thalmayer auftritt. Das kleine, schmale Büchlein von gerade einmal 108 Seiten (von denen 18 drei „Supplemente“ von Chr. M. Wieland, M.V. Llosa und D. Kiš sind) besteht aus 27 fiktiven Briefen an einen „Manuel Zögler“, der ein Manuskript an den Autor geschickt hat.
In den Antwortbriefen Thalmayrs verfolgt man den mehr oder weniger gelingenden Weg Zöglers zum Schriftsteller. Für diesen Weg gibt Thalmayr unterschiedliche Tipps. Der Untertitel „Ein kurzer Lehrgang“ führt insofern in die Irre, als die Briefe weder einen Lehrweg beinhalten noch das Schreiben selbst großartig thematisieren.
Es gibt kein Inhaltsverzeichnis und insofern ist es schwer, sich schnell ein Bild vom Inhalt des Buches zu machen. Das will ich hier kurz nachholen.
1. Brief: Warum das Einsenden von Manuskripten eigentlich eine Zumutung ist und man nicht zu viel erwarten sollte (9)
2. Brief: Empfehlung, sich eine Agentin zu suchen – und Manuskripte nie adressiertes Kuvert mit Rückporto beizulegen (16)
3. Brief: Warum die Einsendung eines Exposés sinnvoller ist als ein Manuskript und warum das Urheberrecht keine so schlechte Erfindung ist (17)
4. Brief: Vom Glück, ein gebundenes Buch in Händen zu halten (22)
5. Brief: Was passiert, wenn das Buch erschienen ist: Lesetouren, Interviews, Ramschware, Übersetzungen und der Umgang mit Kritikern und Rezensionen (24)
6. Brief: Warum die Mitgliedschaft in Akademien, Gewerkschaften und PEN-Club verzichtbar ist, nicht aber die VG Wort (29)
7. Brief: Wie wenig man durch Schreiben verdient und warum ein Steuerberater hilfreich ist (31)
8. Brief: Fluch und Segen von großen Verlegerpersönlichkeiten (35)
9. Brief: Von der traditionsreichen Möglichkeit, sich selbst zu verlegen (38)
10. Brief: Das nächste Buch (43)
11. Brief: Die Tücken bei Filmrechten (45)
12. Brief: Einen Brotjob im Hintergrund haben ist nicht zu verachten (49)
13. Brief: Schriftsteller und das Altwerden (50)
14. Brief: Sollte man sich engagieren? (53)
15. Brief: Freundschaften sich wichtig (55)
16. Brief: Schreib Gedichte – auch wenn mehr Gedichte geschrieben als gelesen werden (59)
17. Brief: Über Schriftsteller-Typologien (61)
18. Brief: Schreib mal was anderes als das, was du kannst, z.B. ein Drama (64)
19. Brief: Über Widmungen und andere Paratexte (67)
20. Brief: Missverständnisse oder: Leser:innen machen mit dem Text, was sie wollen (72)
21. Brief: „Janteloven“ und die Tücken von Gewohnheiten (73)
22. Brief: Creative Writing oder: Ob man Schreiben lehren und lernen kann (76)
23. Brief: Unentbehrlich Bücher (79)
24. Brief: Über die Ressource „Aufmerksamkeit“ (81)
25. Brief: Von den Alten lernen heißt siegen lernen (83)
26. Brief: Nie ganz erwachsen werden (85)
Letzter Brief: Gedanken über die Nachwelt (88)
1. Anhang: Christoph Martin Wieland: Über das Urheberrecht (93)
2. Anhang: Mario Vargas Llosa: Auszüge aus einem Brief an einen jungen Autor (98)
2. Anhang: Danilo Kiš: Ratschläge für einen jungen Schriftsteller (101)
Ich habe das Buch bei einer Busfahrt in die Stadt auf Hin- und Rückweg gelesen. Es liest sich schnell weg und ich vermute, es wird sich nicht tief in meinem Gedächtnis verankern. Kann man also lesen, muss man aber nicht.
Literatur: Thalmayr, Andreas: Schreiben für ewige Anfänger. Ein kurzer Lehrgang. Hanser: München 2018.