In Schleiermachers fünfter und letzter Rede über die Religion geht es um Religionen insgesamt. Schleiermacher weist einen rationalistischen „natürlichen“ Religionsbegriff zurück, der eine Art konstruierter Vernunftreligion vorschlägt und die oft nichts weiter ist als religiös verbrämte Ethik und Metaphysik. Schleiermacher besteht im Gegensatz dazu auf empirischer Religiosität. Das Phänomen „Religion“ ist dabei vielfältig. Es lässt sich nicht auf einen Kern reduzieren, der allen Religionen gemein wäre. Auch die einzelnen Religionen sind durch Vielfalt gekennzeichnet. Wenn Schleiermacher über die Vielfalt der Religionen schreibt, macht er dies nicht von einem neutralen Standpunkt aus, sondern seine Sicht ist durch Vorurteile und eine Art religiöse Hierachie geprägt: Das Christentum stellt für ihn dabei die Religion der Religionen dar. So kritisch man einzelne Details wie etwa Schleiermachers Antisemitismus sehen muss, so bedeutsam ist nach wie vor sein (phänomenologisches bzw. religionssozioligisches) Grundverständnis von Religion. Auch hier versuche ich in meiner Zusmmenfassung den Redecharakter des Ursprungstextes in beizuhalten.
„Reden über die Religion 5“ weiterlesenReden über die Religion 4
In der vierten Rede über die Religion führt Schleiermacher aus, warum Gemeinschaft zentral ist für das religiöse Leben. Dieser Gemeinschaftsaspekt läuft allerdings an manchen Punkten wahrer Religiosität entgegen. Das liegt für Schleiermacher vor allem in der engen Verbindung von Staat und Kirche. Der Staat macht sich bestimmte religiöse Aspekte zu eigen und delegiert an die Kirche Aufgaben wie die Erziehung und die Etablierung moralischer Regeln und verbindet religiöse Rituale wie Taufe und Konfirmation mit bürgerlichen Anliegen. Die Kirche wiederum genießt die Bedeutsamkeit der Rolle, die ihr der Staat ermöglicht. Dadurch gerät die Kirche aber in eine unglückliche Abhängigkeit, bei der am Ende die bürgerlichen Bürokraten in der Kirche mehr zu sagen haben als die religösen Virtuosen. Wichtig ist für Schleiermacher daher, dass religiöse Gemeinschaften ihre Freiheit wiedererlangen und sich ihre Unabhängigkeit bewahren.
„Reden über die Religion 4“ weiterlesenReden über die Religion 3
In Schleiermachers dritter Rede über die Religion geht es um religiöse Bildung und die Frage, inwieweit Religion lehrbar ist. Schleiermacher kritisiert einerseits die aufklärerische Pädagogik, die alles unter Nützlichkeitsaspekten betrachtet und im Religionsunterricht Geschichten erzählt, aus denen man etwas moralisch lernen soll. Andererseits kritisiert er aber auch die voraufklärerische Pädagogik, die planlos (Schleiermacher spricht hier in Anlehung an Kant von „mechanisch“) Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt. Dem stellt Schleiermacher etwas gegenüber, was man heute einen „subjektorientierten“ Ansatz nennen würde. Das Paradigma, an dem Schleiermacher sich beim religiöser Bildung orientiert, ist die Kunst. Schleiermacher entfaltet hier viele Begriffe, die er in der zweiten Rede eingeführt hat.
„Reden über die Religion 3“ weiterlesenReden über die Religion 2
Schleiermachers zweite „Rede“ über die Religion ist die längste und am häufigsten zitierte Rede. Schleiermacher entwickelt hier sein besonderes Religionsverständnis als einem dritten, eigenständigen Bereich neben Ethik und Metaphysik. Nach der einleitenden „Apologie“ legt Schleiermacher hier seine Kernbegriffe vor.
„Reden über die Religion 2“ weiterlesenReden über die Religion 1
1799 wendet sich Friedrich Schleiermacher anonym mit fünf „Reden“ an gebildete Religionskritiker. Eigentlich sind es keine Reden, sondern fünf Kapitel einer Abhandlung oder eines Essays über ein frühromantisches Religionsverständnis. Erst gut vier Jahre nach der ersten Veröffentlichung hat Schleiermacher offen zugegeben, der Autor der Reden zu sein. In den Jahren danach hat es mehrere Überarbeitungen gegeben.
Ich wage hier mal den Versuch, meine Lektürenotizen im Zusammenhang zu veröffentlichen. Grundlage ist die Ausgabe von 1799 in der Fassung aus dem Felix-Meiner-Verlag. Den „Ich“Stil der Reden behalte ich bei, um nicht „über“ die Reden zu reden, sondern die Reden quasi als Kurzfassung in einer im Zusammenhang lesbaren Form reden zu lassen. Weil ich kein Schleiermacher-Experte bin, ist das natürlich mit Vorsicht zu genießen. Wer mag, kann mir gerne per Mail oder Mastodon kritische Rückmeldung geben. Vor ein paar Tagen habe ich was zum Hintergrund dieses Projekts geschrieben
Los geht es mit der 1. Rede, der „Apologie“.
„Reden über die Religion 1“ weiterlesenReligiöses Bewusstsein
Im Zuge der Auseinandersetzung mit David Buttrick habe ich mir nach vielen Jahren Friedrich Schleiermachers „Reden über die Religion“ wieder einmal vorgenommen. Mich hat dabei v.a. interessiert, wie Schleiermacher mit den Begriffen des Bewusstseins und des Subjekts umgeht. Obwohl Schleiermacher der bedeutendste Theologe des 19. Jahrhunderts war, kannte ich ihn bis zum Studium nicht. Das geht vielen außerhalb der Theologie so, wie ich immer wieder feststelle.
Vor allem das Frühwerk „Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern“ hat mich damals angesprochen. Seitdem ging es mir dabei wie bei einem vor Jahren gelesenen Roman, mit dem sich eine bestimmte Stimmung verbindet, ohne dass ich den Inhalt nacherzählen kann. Nur die üblichen Stichworte blieben im Gedächtnis. Aber irgendwie inspirierte das Buch mich untergründig weiterhin. Jetzt, beim Wiederlesen, haben ich auch gemerkt, warum: Schleiermacher denkt mit großer Kühnheit über Religion nach, ohne sich an dogmatischen Richtigkeiten zu orientieren. Dabei gibt es eine merkwürdige Spannung zwischen einer großen Frömmigkeit und einer geradezu häretischen Offenheit.
„Religiöses Bewusstsein“ weiterlesen