Wer ein Tagebuch führt, wirft wahrscheinlich oft auch einen interessierten Blick in veröffentlichte Tagebücher. Meistens sind diese allerdings literarisch stark bearbeitet, wie beispielsweise die Tagebücher Max Frischs. Spannender sind da schon die Alltagsbetrachtungen eines Samuel Pepys (kürzlich bei 2001 in einer tollen Edition erschienen, gibts aber auch als Blog-Projekt im Netz).
Ein besonders spannendes Projekt ist die Digitalisierung des Tagebuchs von Erich Mühsam, dass Chris Hirte und Conrad Piens vorantreiben (zusammen mit dem Verbrecher-Verlag). Mühsam war Schriftsteller und Anarchist und eines der ersten Opfer der Nazi-Verfolgung: Bereits 1934 wurde er im KZ Oranienburg ermordet.
Bis 2018 sollen die erhaltenen Tagebücher vollständig zur Verfügung stehen.
Die vorbildlich editierte Seite bietet nicht nur den Zugriff auf den Text des Tagebuches in Abschrift und als fotografische Abbildung, sondern auch ein Register sowie Links auf Hintergrundinformationen. Das Beste aber sind natürlich die Texte Mühsams: ehrliche, ungekünstelte Tagesbetrachtungen, die faszinieren – persönlich wie sprachlich.