Sarah Lazarovic hatte vielleicht eine schlechte Woche, sagt sie. Aber sie bilanziert über Twitter ernüchtert, es bestehe aus lauter unlustigen Leuten, die versuchen lustig zu sein. In einer wunderbaren Grafik fasst sie ihren Eindruck zusammen:
Der Cartoon passt zu einer Frage, die ich mir gerade stelle: Wozu nützt Twitter? Die Frage habe ich mir vor rund einem Jahr schon mal gestellt: Auf der einen Seite habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, kleine Meldungen und Hinweise zu bloggen, ohne das Gefühl zu haben, daraus einen Artikel machen zu müssen. Auf der anderen Seite hat mich interessiert, was andere daran interessiert. Jetzt kann ich mich ein Fazit ziehen: Bezogen auf das, was mich interessiert, was ich mache und wie ich kommuniziere, nützt Twitter nur sehr begrenzt was.
1. Der größte Teil der Nachrichten interessiert mich einfach nicht. Es ist allenfalls die Schwanzspitze, die relevant ist. Ich will nicht wissen, wann jemand aufgestanden ist, wo er sich gerade befindet und was ihm grad durch den Kopf geschossen ist, bloss weil ich seine Interessen bezüglich Homiletik oder kreatives Schreiben teile. In Woody Allens Film „To Rome with love“ gibt es die schöne Episode um den kleinen Angestellten Leopoldo, der im Betrieb allen Leute damit auf die Nerven geht, dass er zu allem und jedem seine unmaßgebliche Meinung hinaus posaunt – bis sich eines Morgens die Medienmaschinerie auf ihn fixiert und diese Meinungen wie wichtige Meldungen in die Welt hinaus posaunt. Harald Martenstein hat sich in seiner ZEIT-Kolumne neulich gefragt, worum man dieses ganze Zeug auf den bunten Seiten der Tageszeitung eigentlich liest. Twitter scheint mir an vielen Punkten nichts anderes zu sein als eine filterlose Nachrichtenseite „Aus aller Welt“. Es gibt die Möglichkeit, über Listen einen Filter auf die Seiten zu setzen, die reine Informationen enthalten und wo niemand seine privaten Infos twittert. Wozu dann aber den anderen noch folgen?
2. Meine Arbeit bringt Twitter nicht weiter – weder in meinem pastoralen Dienst noch in meinen Interessen Schreiben, Theologie und Homiletik sowie Philosophie. Natürlich gibt es auch bei Twitter eine Reihe von wichtigen Nachrichten, aber auf die meisten stoße ich schon in den RSS-Feeds der Blogs, die ich verfolge. Einige Twitter-User habe ich schon allein deshalb die Gefolgschaft aufgekündigt, weil sie ihre Artikel auf allen Kanälen senden: im Blog, per Twitter, Facebook und Newsletter. Nachdem ich mittlerweile fast alle Newsletter abbestellt habe, werde ich das bei Twitter nun auch tun. Nach einen Jahr Twitter muss ich feststellen: Wichtige Informationen, die ich nicht auch anders bekommen hätte, habe ich bei Twitter nicht erhalten. Es ist einfach nur ein weiterer Kanal, der sendet und meine Aufmerksamkeit verlangt. Schade ist es um ein paar schöne Aphorismen, die manche Twitter-User in 140 Zeichen bringen. Aber es ist mühsam und zeitraubend, sie in dem Wust an überflüssigen Tweets zu finden.
3. Ich kommuniziere offenbar anders als typische Twitter-User. Viele User kommunizieren direkt via „@“ – aber die Leute, mit denen ich in Kontakt stehe, nutzen Twitter nicht: weder Konfis noch Gemeindeglieder noch Kollegen noch Freunde. Meine direkte Kommunikation erfolgt über Mails, Facebook, WhatsApp und SMS. Auch Blog-Leser schreiben mir am ehesten eine E-Mail. Was mich an Twitter stört ist, dass jeder Satz permanent öffentlich ist. Deshalb ist Twitter auch kein WhatsApp oder SMS-Ersatz. Auch als Microblogging nützt mir Twitter nur begrenzt: Was ich sagen will, ist meist länger als 140 Zeichen. Ich habe nicht dauernd etwas zu sagen, aber wenn, dann will ich nicht nur eine Meinung äußern, sondern auch eine Begründung mitliefern. Twitter ist eher ein Medium der bloßen Doxa als der Argumentation.
Auf der anderen Seite sehe ich auch Vorteile: Wenn mein Hoster Probleme zu haben scheint, erfahre ich sehr schnell, ob es anderen auch so geht und ob an dem Problem gearbeite wird. Auch der schnelle Kontakt mit Hotlines ist möglich. Und zu manchen aktuellen Stichworten findet man eine Reihe spontaner Statements, die durchaus inspirierend sein können. Twitter ist ausserdem ein nettes Notizbuch: Kurzer Einfall, netter Link, schönes Zitat – schnell versendet, damit ich es selbst später wiederfinde.
Da ich nun auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten möchte, werde ich etwas umstrukturieren und weiter experimentieren – vielleicht für ein Jahr. Erstmal trenne ich homilia-Belange von privaten Dingen: Dazu habe ich mir einen zweiten Twitter-Account angelegt. Weil Twitter selbst das Anlegen mehrerer Accounts nicht unterstützt, verwende ich yoono um beide Accounts im Blick zu behalten. Und dann kündige ich allen die Gefolgschaft, die dauernd Sachen twittern, die mich nicht interessieren. Im Gegenzug werde ich natürlich die meisten meiner weniger Follower verlieren, weil bei Twitter eine „Folgst-du-mir-folg-ich-dir“-Mentalität herrscht. Was soll’s. Auf der homilia-Seite dient die TwitterApp als Mini-Blog und Notizbuch zum Thema Predigen, Schreiben und Kreativität. Das Prinzip wird dabei sein: Ich twittere auf diesem Kanal nur, was mich selbst als Tweet interessieren würden.