Eines meiner Hobbies ist das Zeichnen. Ich bin darin zwar nicht besonders gut, habe aber dennoch etwas Wichtiges gelernt: Zeichnen lernen heißt sehen lernen. Beim sogenannten „Zeichnen nach der Natur“, also bei der Umsetzung eines dreidimensionalen Motivs auf Papier, springt das Auge dauernd hin und her: Man sieht sich das Objekt an, dann wieder die Zeichnung und zurück. Am Anfang steht erstmal ein grobe Skizze. Nach und nach wird sie ausgearbeitet. Man bemerkt, dass diese Linie zu kurz ist, hier zwei anderen Linien der Abstand größer, da ein Bogen weiter sein muss usw. Beim Betrachten einer Kirchengemeinde ist es eigentlich nicht anders: Man macht sich ein Bild, dass man dauernd an der Wirklichkeit abgleichen muss. Nach 100 Tagen Hinschauen und Notiznehmen habe ich ich aber dennoch nicht mehr, als erstmal nur eine grobe Skizze in der Hand.
Wenn ich von Skizze rede, dann meine ich auch eine echte Skizze. Innerhalb der ersten drei Wochen habe ich versucht, meine erste Übersicht darzustellen. Später, bei einer Fortbildung, habe ich nochmal genauer versucht, mir die systemischen Zusammenhänge anschaulicher zu machen. Heute habe ich begonnen, meinen 100-Tage-Bericht für das Presbyterium zu schreiben. Im Lauf der letzten drei Monate habe ich mir viele Notizen gemacht. Manches habe ich hier in Blogbeiträgen verarbeitet. Heute habe ich nochmal eine neue Skizze versucht. Umso detaillreicher das Ganze wird, desto mehr stellt sich die Frage: Wie stelle ich die Zusammenhänge so dar, dass man Ende kein unentwirrbares Knäuel an Kästchen und Linie entsteht? Was muss rein in die Skizze? Was kann man weglassen?
Bis zur nächsten Sitzung des Presbyteriums will ich meinen Bericht fertig haben. Darin geht es zum einen um Wahrnehmungen und Beobachtungen, die ich mit den Presbyterinnen und Presbytern abgleichen möchte. Wer neu in eine bestehende Struktur hinein kommt, sieht mit anderen Augen auf das, was ist. Sehe ich das richtig? Oder habe ich falsch oder zu oberflächlich hingesehen? Zum Anderen geht es um Aufgaben, die sich für die Gemeinde und für mich als Pastor stellen. Am Ende wird das in eine Dienstanweisung münden. Zum Dritten geht es um Dinge, bei denen ich Möglichkeiten für eine Weiterentwicklung der gemeindlichen Arbeit gehen.
Mein Blogprojekt im engeren Sinn endet heute erstmal. Das tägliche Schreiben war eine gute Seh-Übung und eine schöne Motivation, immer wieder Neues in den Blick zu nehmen. Allerdings ist es durchaus aufwendig, jeden Tag etwas zu schreiben, das für eine öffentliche Leserschaft bestimmt ist. Beim Tagebuchschreiben muss man nicht nachdenken: Kann und darf ich das so sagen?
In den letzten Tagen haben mich einige Menschen gefragt, wie es denn weiter geht. Zunächst einmal bleibt dieser Blog bestehen. Nach und nach werde ich über weitere Beobachtungen und Entdeckungen schreiben – allerdings in lockerer Folge und nicht mehr Tag für Tag. Wenn Sie mir bei Facebook oder Twitter folgen, werden Sie auf neue Beiträge aufmerksam gemacht. Wahrscheinlich werde ich demnächst öfter über Instagram eine Bild mit einer kurzen Notiz schreiben. Vielen Dank, dass Sie mir bis hierher gefolgt sind.