Schreiben folgt Regeln und ist dennoch permanenter Regelbruch. Deshalb ist Schreiben prinzipiell lernbar, aber gerade dann kreativ, wenn man die eingetreten Pfade verlässt. Das gilt für jede Form von Schreiben, erst recht aber für humorvolles Schreiben. John Vorhaus bietet in seinem Buch eine Reihe nützlicher Regeln und Prinzipien, aber er betrachtet sie nicht als ehernes Gesetz, sondern als Instrumente zur Produktion komischer Texte.
Vorhaus‘ Grundsatz lautet: „Komik ist Wahrheit und Schmerz.“ (16) Ein einfaches Prinzip, das aber nicht leicht zu verstehen ist. Anhand zahlreicher Beispiele versucht Vorhaus zu erklären, wie sein Grundsatz gemeint ist. So erzählt er beispielsweise folgenden Witz: „Was kommt heraus, wenn man einen Zeugen Jehovas mit einem Agnostiker kreuzt? – Jemand, der ohne ersichtlichen Grund an der Tür klingelt.“ Ein schöner Witz, zweifellos, aber die knappe Analyse nach dem Wahrheit-Schmerz-Schema überzeugt nicht unmittelbar: „Die Wahrheit ist, dass manche Menschen gern glauben möchten. Der Schmerz rührt daher, dass nicht jeder es schafft.“ (20)
Was Vorhaus offenbar meint ist, dass ein guter Witz (und nur darum geht es) auf einen wahren Sachverhalt abzielt: Die Zeugen Jehovas sind bekannt dafür, dass sie von Haus zu Haus ziehen, um Menschen von ihrem Glauben zu erzählen. Wir mögen das für befremdlich halten, ja sogar darüber spotten, weil wir das nicht tun würden, aber so ist das nun mal. Aber: Was ist uns selbst so wichtig, dass es uns motivieren würde bei Fremden zu klingeln, um ihnen dieses Wichtige mitzuteilen? Etwas so wichtiges gibt es offenbar nicht. Das rührt der Witz an: Der Schmerz ist, dass wir nichts mitzuteilen hätten, stünden wir an der Stelle der Zeugen Jehovas.
Der Witz ist also eigentlich ein Witz über uns. Deshalb ist er so gut. Aber ist er auch gut, wenn man ihm einen Zeugen Jehovas erzählen würde? – Nein, denn der würde unseren Schmerz nicht teilen. Deshalb gibt es auch keine absolut witzigen Witze. Wenn der Hörer den wahren Sachverhalt für eine Unwahrheit hält oder er den Schmerz nicht teilt, wird er den Witz nicht verstehen. Das Wahrheit-Schmerz-Schema ist kein scharfes Analyseinstrument, aber es ist dennoch geeignet, über einen Witz nachzudenken, um sich klar zu machen: Was macht den Witz aus? Wie wird er auf die Hörer wirken?
Obwohl Vorhaus mit der Erläuterung seines Grundsatzes beginnt, ist er nicht geeignet unmittelbar zur Textproduktion anzuleiten. Er klärt nur auf, was der Autor für komisch hält. Vorhaus macht deutlich, dass dies nicht die einzige Art von Komik ist, aber er hält es für die bessere Art. Die Anleitungen zum Textschreiben setzten wie die meisten Schreibbücher damit ein, dass es zunächst darum geht, den inneren Kritiker methodisch auszuschalten. Vorhaus‘ Hauptmethode arbeitet mit Listen: Möglichst zügig soll man dabei eine Liste von zehn Einfällen zu einem Thema erstellen. Vorhaus geht davon aus, dass von zehn Witzen neun unbrauchbar sind (Neunerregel). Also wird sich bei einer Liste von zehn Einfällen vielleicht ein guter finden. Aber selbst wenn nicht: Entscheidend ist für die Methode, überhaupt erst mal Ideen zu entwickeln und aufzuschreiben. Mit dem Ergebnis lässt sich dann ja weiter arbeiten.
Das Schreiben eines humorvollen Textes basiert auf einer „komischen Prämisse“ (41). Vorhaus Grundansatz gleicht dabei den üblichen Annahmen: Eine Geschichte entwickelt sich, indem eine erzählerische Prämisse entfaltet wird. Die komische Geschichte basiert dagegen auf der „Kluft zwischen zwei Wirklichkeiten“, auf dem Zusammenprall zweier Welten. Aus ihnen entsteht ein komischer Konflikt. Dafür gibt es eine Reihe von Möglichkeiten: Zwei unpassende Figuren stoßen aufeinander, eine Figur mit einer seltsamen Weltsicht muss in den normalen Welt zurecht kommen, eine Figur gerät in einen für ihn untypischen Kontext etc. Vorhaus beschreibt die Möglichkeiten, komische Prämissen und Konflikte zu entwickeln und zu testen und komische Geschichten zu überarbeiten und zu verfeinern. Die Instrumente, die er dabei vorstellt, lassen sich oft auch auf andere Arten von Textproduktion übertragen.
Im Blick auf die homiletische Praxis ist das Buch freilich nur von begrenztem Wert: „Handwerk Humor“ ist kein Leitfaden hin zu einer humorvolleren Predigtpraxis. Auch wird das Buch einem drögen Prediger nicht dazu verhelfen, plötzlich mit einem Feurwerk komischer Einfälle zu brillieren. Gleichvoll kann Vorhaus auch für solche Fälle aufmerksam machen: Ist das komisch? Für wen ist es komisch? Wenn könnte es verletzen? Es gibt allerdings einen kirchlichen Kontext, für den das Buch sehr nützlich sein kann: Für das Schreiben von Anspielen, Sketchen etc.
Fazit
„Handwerk Humor“ ist eine solide Einführung ist das komische Schreiben. Es ist aber kein Leitfaden zur Witzproduktion und es wird auch nicht unbedingt zu einer humorvolleren Predigtpraxis führen. Die Schreibtipps sind überwiegend brauchbar – auch für ernstere Schreibkontexte. Methodisch ist Vorhaus aber sehr begrenzt: Es bleibt bei seiner Listenmethode. Die allerdings so schlecht ja auch nicht ist. Ehrlich gesagt: Man braucht das Buch nicht unbedingt. Wer aber regelmäßig selbst Anspiele für Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen schreibt, für den könnte eine Anschaffung ratsam sein.
Vorhaus, John: Handwerk Humor, 2. Auflage, Frankfurt a.M. 2001.
ISBN 3-86150-363-8 | 12,75 € / 302 S.