„Einfallsreich argumentieren“ wäre der bessere Titel für Frank Cioffis Buch „Kreatives Schreiben für Studenten und Professoren – und würde auch dem englischen Originaltitel The Imaginative Argument eher entsprechen. Zwar kommt das Buch wie eine Einführung ins wissenschaftliche Schreiben daher, aber es lässt sich nicht darauf reduzieren. Wer nicht-fiktionale Texte schreiben will – egal ob Student, Professorin oder Prediger – findet in Cioffis Buch wertvolle Hinweise und Anregungen. Nicht-fiktionale Texte kreativ schreiben heißt für Cioffi originell, überraschend und eben einfallsreich zu argumentieren. Doch an Einfallsreichtum und Vorstellungskraft, so Cioffis These, mangelt es den meisten argumentativen Texten.
Cioffi räumt mit dem alten Missverständnis auf, beim wissenschaftlichen Schreiben gehe es darum Fakten zu reproduzieren. Statt in einem Essay immer nur Bekanntes zu wiederholen, geht es für den amerikanischen Schreiblehrer darum, die „eigenen Gedanken ausarbeiten, eigene Urteile [zu] fällen [..]“ und Texte so zu betrachten „als ob sie aus einer fernen Vergangenheit direkt zu einem sprächen“ (12) Ein Essay sollte sich daher nicht mit Oberflächlichem, Offensichtlichem und Selbstverständlichem befassen, sondern soll „etwas enthüllen, das Sie entdeckt haben“ und „beweisen, dass das, was Sie entdeckt haben, Bedeutung und Resonanz besitzt“(34).
Kernpunkt von Cioffis Ansatzes ist der Umgang mit Thesen: „Die These bildet das Herzstück, das bleiben würde, wenn sie Ihren Aufsatz auf nur zwanzig, dreißig oder vierzig Wörter zusammenstreichen, wenn Sie sie auf ihre Essenz destillieren müssten.“ (75) Die These in einer einfallsreichen Argumentation soll provozieren, interessieren und verblüffen. Sie soll „einem Publikum etwas Komplexes, Interessantes und Neues vermitteln, noch bevor das Publikum sie wirklich versteht. Der Text, der aus einer solchen These entsteht, wird die Erklärung bieten […]“. (80)
Die Erklärung, die der Text bietet, macht den eigentlichen Inhalt des Essays aus. Die These bildet den roten Faden der Argumentation und sie läuft am Ende auf etwas hinaus, was Cioffi die Delta-These nennt – eine durch Beispiele gestützte wie durch Gegenargumente veränderte These. Die einzelnen Argumentationsschritte bilden dabei im Kleinen die Grundstruktur von These, Hauptteil und Schluss ab: Jeder Absatz ist „eine Art Miniaufsatz“ mit eigener These (Hauptaussage genannt) und Delta-These. Durch diese Struktur bekommt der ganze Aufsatz etwas dynamisches und immer weiter nach vorne drängendes. Die These wird also nicht einfach nur erklärt, sondern tatsächlich entwickelt und entfaltet – bis zur überraschenden Schluss-Folgerung.
Die Dynamik dieses einfallsreichen Argumentierens entsteht aus einer dialogischen Grundhaltung: Eine These wird in „Auseinandersetzung mit einem Publikum„ (83) entwickelt, und zwar indem der Essayschreiber zum einen Fragen aufwirft aber auch sensibel mögliche Erwartungen und entstehende Fragen des Publikums aufnimmt, provisorische Antworten gibt und diese wieder im Wechsel von Frage und Antwort weiter treibt. Das dialogische Denken erfordert eine skeptische Haltung auch gegen sich selbst: „Hinterfragen Sie, was Sie tun, was Sie geschrieben haben, welche Argumentationswege Sie eingeschlagen haben,“ rät Cioffi, „Denken Sie ernsthaft darüber nach, welche Einwände man gegen Ihre Gedanken haben, welche Gegenbeispiele es geben könnte und wie Sie Ihren Standpunkt modifizieren, sich selbst verteidigen können.“ (258) So entsteht eine Dynamik, die das Publikum genauso überraschen kann wie den Autor.
Nicht nur Studentinnen und Professoren können von Cioffis sehr praxisorientieren Überlegungen profitieren, auch für Pastorinnen und Prediger ist das Buch überaus hilfreich. Zwar deutet sich an einer Stelle an, dass Cioffi Predigen für das genaue Gegenteil von dem hält, was er vorschlägt (für ihn heißt Predigen einem freundlich gesinnten Publikum einen paar Selbstverständlichkeiten zu sagen; vgl. S. 47), aber hier wäre eher zu fragen, ob ein solches Predigen nicht defizitär ist. Wenn Predigen im Unterschied zu Cioffis Nebenbemerkung im Kern das Weitersagen einer neuen, überraschenden und auch provokanten Botschaft ist, dann wird es nicht überraschen, dass sich viele Überlegungen Cioffis unmittelbar auf das einfallsreiche Predigen übertragen lassen. Sicherlich geht Predigt nicht allein in Argumentation auf, doch macht das Argumentieren für eine Aussage doch einen wesentlichen Anteil aus. Dabei kann insbesondere der dialogische Ansatz für die oft recht monologische Predigt sehr inspirierend sein. Darüber hinaus deutet Cioffi in einem kleinen Exkurs über „kreative Nonfiction“ an, wie auch der lyrische und narrative Essay von den Grundgedanken des einfallsreichen Argumentierens profitieren kann. Auch wenn Prediger also nicht zur Zielgruppe gehören: Sie können als Leser nur von der Lektüre profitieren.
Fazit: „Kreatives Schreiben für Studenten und Professoren“ ist eine hervorragende Anleitung in das Entwickeln und Schreiben nicht-fiktionaler Texte wie wissenschaftliche Aufsätze und auch Predigten. Das Buch bietet eine praktische Anleitung zum einfallsreichen Argumentieren und kann dabei helfen, einen eigenen Standpunkt zu finden und klar, verständlich und am Ende auch überzeugend zu formulieren.
Cioffi, Frank L.: Kreatives Schreiben für Studenten und Professoren,
Berlin : Autorenhaus 2006. ISBN3-86671-004-6| 16,80 € | 305 Seiten
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