Kann die öffentliche Rede von evangelischer Predigtkultur wichtige Impulse erwarten? Thomas Klie hat diese Erwartung an die Predigt und die Unterrichtenden in der Homiletik durchscheinen lassen. Sein Argument: Die Kirche sei die „einzig verbliebene gesellschaftliche Großinstanz, die sich noch professionell mit der Redekunst befasst“ (Der Beitrag der Kanzelrede zur rhetorischen Kultur unserer Gesellschaft, in: Evangelische Predigtkultur, S. 33).
Angesichts der neulich von der FAZ aufgeworfenen Frage, ob nicht mittlerweile andere Instanzen die Aufgabe der Predigt in unserer Gesellschaft übernommen haben, ein interessantes Dilemma: Theologische Fakultäten und Predigerseminare befassen sich als letzte Verbliebenen um professionelles Reden – dabei wird längst außerhalb der Kirchen zuweilen eindrucksvoller gepredigt als auf den Kanzeln. Dafür bietet nicht nur das Feuilleton gute Beispiele.
Eine zweifellos spannende Rede war die Ansprache von Apple-Gründer Steve Jobs bei der Abschlußfeier der Stanford University 2005. Im Zusammenhang mit Jobs Tod wird davon wieder berichtet, weil Jobs sehr eindrucksvoll über den Umgang mit Krankheit und Sterben sprach. Natürlich ist die Rede keine Predigt. Diesen Anspruch hätte Jobs sicher selbst nicht gehabt. Aber sie zeigt auf beeindruckende Weise, wie eine Rede von 15 min Dauer elementare Fragen des Lebens und Glaubens authentisch zur Sprache bringen kann. Was könnte Predigt sein, wenn sie davon lernen und sich inspirieren lassen würde?
In der ZDF-Mediathek findet sich aktuell eine Fassung mit deutschen Text, die das Anschauen lohnt.
[Link zur Rede von Steve Jobs in der ZDF-Mediathek]
Der Text der Rede ist auf der Homepage der Stanford University zu finden. Eine einfache, deutsche Übersetzung findet sich im Blog humanity. Eine weitere, etwas elegantere im Blog macversus.