Kennzeichnend für den Essay ist, dass er eine Antwort auf eine neue Frage versucht. Eine schon altbekannte oder bloß rhetorisch gestellte Frage taugt nicht für einen interessanten Essay. Und das gilt letztlich auch für die Predigt: Sie versucht die Antwort auf eine Frage, die sich wirklich (und nicht nur rhetorisch) stellt.
Zwar wird oft darauf hingewiesen, dass der europäische und der anglo-amerikanische Essay sich formell unterscheiden – der anglo-amerikanische Essay entspricht oft dem, was wir im Deutschen „Aufsatz“ nennen – aber zum einen ist die Unterscheidung oft akademisch, zum anderen lässt sich viel von anglo-amerikanischen Ansatz lernen, bei dem das Essay-Schreiben Teil des wissenschaftlichen, kreativen Schreibens ist.
Ein gute Zusammenfassung liefert James (Nachname unbekannt) auf der Englisch-Lern-Seite engvid.com (das Video ist auf englisch). James geht es um einen effektiven Essay. Das heißt: Der Essay soll nicht bloß gut geschrieben sein, sondern Leser sollen verstehen, worum es dem Autor geht.
James fasst den Prozess des Essayschreibens in fünf Schritte
- Stell eine Frage
- Stell eine These auf (keine Larfari-These, sondern eine, die etwas aussagt)
- Schreib eine Einführung, die deine These enthält
- Gib drei Gründe für die Wahrheit deiner These an (Hauptgründe und unterstützende Überlegungen)
- Schreib eine Schlussfolgerung
Ein kleines Grundmodell für den Essay als Predigtform. Das ist zwar nicht sonderlich elaboriert, aber ausreichend als Grundmodell. Man könnte es „aussageorientiertes Predigen“ nennen. Denn auch dem Prediger sollte es doch darum gehen, nicht nur salbungsvolle, schöne Worte zu äußern, sondern in seinem Anliegen verstanden zu werden.