Scapple habe ich neulich bereits vorgestellt. Mittlerweile liegt die Release-Version vor. Ich kann erstmal keinen großen Unterschied entdecken, habe aber erstmals einen Predigtentwurf mit Scapple gewagt – und bin begeistert. Für gerade mal 12,14€ erhält man ein funktional zwar sehr spezialisiertes, aber gut durchdachtes Programm. Wer mit Clustering oder ähnlichen Skizzenmethoden auf dem Papier arbeitet, sollte sich Scapple auf jeden Fall anschauen. Für dreißig Tage lässt sich das Demo ohne Einschränkungen ausprobieren. Ich werde mal schauen, dass ich in der nächsten Zeit die Funktionen des Programms und die Arbeitsmöglichkeiten etwas genauer vorstelle.
Scapple – bald auch für Windows?
Die Macher von Scrivener haben eine Clustering-Software entwickelt – für die Mac-Welt schon erhältlich, für Windows noch im Beta-Stadium
Ich hab es schon gemacht, als ich noch kein Wort dafür kannte: Clustering. Bei Mitschriften an der Uni und als Entwurfstechnik für Seminararbeiten und der späteren Dissertation habe ich kurze Notizen einkreist oder mit Wolken und Kästchen umgeben und durch Striche mit anderen Notizen verbunden. OK, es waren keine Cluster in Gabriele Ricos Sinne, aber es war ein intuitiver Versuch, Struktur in die Notizen zu bringen und Zusammenhänge für das Schreiben sichtbar zu machen.
Literature & Latte, die Macher der Autorensoftware Scrivener, die ich seit einiger Zeit benutze, haben eine Software entwickelt, mit der man am Recher in gleicher Weise arbeiten kann: Scapple. Wer sich mit den Methoden nicht so gut auskennt, könnte meinen, das müsste auch mit Mindmapping-Software gehen. Ich benutze den Mindmanager und Freemind und kann sagen: Es geht nicht. Mindmap und Cluster sind völlig verschiedene Werkzeuge. Insofern ist das Erscheinungen von Scapple mehr als erfreulich. Mac-Nutzer können das Programm bereits kaufen – Windows-Nutzer müssen sich noch etwas gedulden. Bislang liegt nur eine Beta-Fassung vor. Aber die lässt aufmerken.
In Scapple können Notizen frei platziert, verschoben und mit anderen Notizen verknüpft werden. Zudem lassen sich Scapple und Scrivener miteinander verbinden: Per drag&drop können Notizen von Scapple zu Scrivener und umgekehrt verschoben werden. Anders als beim Mindmapping gibt es keine Hierarchien der Notizen. Wer Scapple als alternative Mindmapping-Software betrachtet, wird damit ebenso unzufrieden sein wie jemand, der versucht mit Mindmaps zu clustern. Ein Video auf youtube veranschaulicht die Verwendung.
Die aktuelle Windows-Beta lässt sich noch bis zum 15. Oktober verwenden. Wann eine Verkaufsversion erscheint, steht noch nicht fest. Bei Scrivener konnte man die Windows-Testversion mehrfach verlängern, bis die Release-Version erschien.
Schreibend denken
“Ich denke tatsächlich oft mit der Feder”, notierte Wittgenstein einmal. Er ist nicht der einzige, der den Zusammenhang von Schreiben und Denken so oder ähnlich beschreibt. In meiner eigenen Schreiberfahrung finde ich mich darin gut wieder. Ulrike Scheuermann hat diese Erfahrung als Konzept des Schreibdenkes für die Hochschuldidaktik ausgearbeitet. Sie beansprucht damit nicht, etwas völlig Neues in die Schreibdiskussion einzubringen, aber ihr Ansatz gibt gute methodische Hinweise zum Schreibprozess beim Verfassen nicht-fiktionaler Texte. Der Prozess lässt sich auch gut auf die Predigtvorbereitung übertragen.
„Schreibend denken“ weiterlesenMini-Knigge – Regel 10: Fehler sind normal
Fehler und Pannen sind normal. Bei aller Trivialität ist es notwendig, sich daran erinnern zu lassen: Auch Predigerinnen machen Fehler und Liturgen können Pannen unterlaufen. Handlungen können nun mal scheitern und Handlungspläne nicht aufgehen – unabhängig vom Können und Wollen. Sich daran zu erinnern ist wichtig, um sich nicht selbst durch die Angst vor Fehlern zu blockieren. Die Orientierung am Erfolg und die Tabuisierung des Scheiterns ist nicht nur ein gesellschaftliches, sondern natürlich auch ein innerkirchliches Problem, wie die Diskussion um Depression und sog. Burnout zeigt. Scheiternlernen ist letztlich eine Form von Seelenhygiene.
Da Fehler und Pannen nicht zu vermeiden sind, bleibt nur die Möglichkeit, den Umgang damit zu kultivieren. Rechtfertigungen und Selbsterklärungen zu vermeiden sowie zu getroffenen Entscheidungen zu stehen, sind zwei grundlegende Umgangsformen (s.o. Regel 5 und Regel 9). Eine weitere ist, Kritikfähigkeit auszubauen und selbstkritisch zu sein, ohne ständig mögliche Kritik vorweg zu nehmen. Im Bereich des Kreativen Schreibens spricht man vom „Inneren Kritiker“, der sich schon zu Wort meldet, bevor eine Silbe geschrieben ist. Der Innere Kritiker lebt von der Angst, das eigene Tun könnte jemandem missfallen. Das ist keine Selbstkritik, sondern vorauseilender Gehorsam gegenüber imaginären Kritikern.
Peter Jenny hat in seinen „Notizen zur Zeichentechnik“ festhalten: „… versuchen Sie ‚Fehler zu akzeptieren, anstatt vor ihnen zu kapitulieren“. Jenny hat beobachtet, dass viele Erwachsene das Zeichnen deshalb aufgeben, weil das Ergebnis nicht ihrer Vorstellung einer gelungenen Zeichnung entspricht. Bei der Kunst der Liturgie ist es ebenso: Die Angst vor Pannen und Fehlern sorgt dafür, dass Liturgen nichts ohne ihre Kladde machen und liturgische Texte sowie Predigten nur noch vorlesen. Letztlich hat die Angst vor Fehlern und Kritik damit zu tun, sich selbst zu ernst zu nehmen. Zur Kunst der Liturgie gehört auch eine liturgische Gelassenheit.
Mini-Knigge – Regel 9: Entscheidungen treffen
Triff Entscheidungen und steh dazu. Es gibt im Gottesdienst regelmäßig Situationen, in denen trotz gründlicher Vorbereitung eine Entscheidung spontan getroffen werden muss – ohne gründlich liturgisch reflektieren oder sich mit anderen Beteiligten absprechen zu können. Beruhigend ist: Da Menschen mit zunehmender Erfahrung ein Gespür für die richtige Handlung entwickeln, werden auch Liturgen oft intuitiv die richtige Entscheidung treffen. Auch wenn wir das Selbstbild von rational handelnden Entscheidern haben: Entscheidungen fallen in einer Gemengelage aus Vernunft und Gefühl. Egal ob man etwas Wichtiges vergessen hat, man spontan etwas streicht oder aufgrund einer Zwischenfalls vom ursprünglichen Plan abweicht: Die Welt geht davon nicht unter. Klar und sicher umgesetzt werden die wenigsten überhaupt etwas bemerken.
Die Angst, etwas falsch zu machen, kann lähmen oder dazu verleiten, zu lavieren. Lavieren heißt hier: eine Handlung uneindeutig umzusetzen. Selbst wenn es nur schlechte Alternativen gibt, ist es besser, eine klare Entscheidung zu treffen – und später auch dazu zu stehen, statt zu lavieren und sich hinter Rechtfertigungen und Selbsterklärungen zu verstecken (s.o.) Spontan und schnell zu entscheiden muss ja nicht heißt, hektisch und ganz aus dem Bauch heraus zu handeln: Ein paar Sekunden Zeit sind immer, um kurz durchatmen und die Situation zu beurteilen, bevor man entscheidet und handelt. Sofern andere Beteiligte betroffen sind, sollte klar gesagt werden, was getan wird – auch wenn man damit jemandem auf die Füße tritt.
Typisches Beispiel im Gottesdienst: Man bemerkt beim Liedvorspiel, dass an den Liedtafeln zwei verschiedene Lieder oder falsche Strophen angeschlagen sind. Ruft man ins Vorspiel des Organisten die Korrektur hinein, korrigiert man nach einer gesungenen Strophe oder lässt man einfach laufen? Weitere Beispiele kleinerer Fehler, die eine Entscheidung fordern, sind, zu bemerken, dass ein bestimmter Text in der Kladde zum Vorlesen fehlt, dass bei der Trauung die Kniekissen fehlen, oder man beim Taufgottesdienst vergessen hat, dass die Oma noch ein Gebet vor der Taufe sprechen wollte. In den meisten Fällen ist es fast gleich, was man tut, solange man eine Entscheidung fällt und umsetzt.
Anders ist es sicher bei gravierenden Zwischenfällen: Wenn beispielsweise jemand während des Gottesdienstes zusammenbricht, ist klar, dass zunächst Hilfe geleistet werden muss. Ist das sicher gestellt, schließen sich weitere Fragen an: Kann der Gottesdienst – evtl. nach einer Pause – fortgesetzt werden? Wird der Gottesdienst abgebrochen und wenn ja: In welcher Form? Hier gibt es kein Handbuch zum Nachschlagen. Eine klare Entscheidung hilft auch allen anderen, sich zu orientieren.
Befreiter Predigen
Frei Predigen ist für viele ein hehres Ziel, aber auch mit großem Druck verbunden. Dabei muss es ja gar nicht die ganz freie, manuskriptlose Rede sein. Vielleicht sollte man deshalb lieber an freieres Predigen denken. Für das Gütersloher Prädikantenkonvent habe ich dazu sechs Thesen aufgestellt:
1. Die Predigt ist ein Ereignis im Gottesdienst.
(Das Manuskript ist nur der Predigtplan, nicht die Predigt!
Streng genommen bin ich am Samstagabend allenfalls mit dem Predigtplan fertig, nicht aber mit der Predigt.)
2. Frei predigen heißt, sich jederzeit vom eigenen Predigtplan lösen zu können.
(Das ist wie bei einem Stadtplan: ich sehe die verschiedenen Wege zu einem Ziel, und kann mich spontan umentscheiden, eine Abkürzung zu nehmen oder eine kleinen Bogen zu machen.
3. Freies Predigen braucht einen übersichtlichen Predigtplan
(Dabei gilt der Grundsatz: Soviel Übersicht wie möglich, soviel Details wie nötig)
4. Für einen übersichtlichen Predigtplan ist es wichtig, sein Predigen zu vereinfachen:
einfache Sprache,
klarer Aufbau,
langsame Entwicklung der Gedanken,
Mut zum Streichen
5. Einfacher predigen heißt, an Aussagen und Aufbau feilen – nicht an den Formulierungen.
6. Das Ausformulieren einer Predigt ist immer der letzte Schritt
– sei es gesprochen auf der Kanzel oder schriftlich im Manuskript.
Homiletik der Langeweile
Was Prediger mit ihrer Predigt erreichen wollen, lässt sich nicht allgemein sagen. Dass ein Prediger aber zumindest irgendetwas sagen will, wird normalerweise vorausgesetzt – auch wenn die Botschaft nicht immer ganz klar ist. Es gibt diesen alten Witz: Der Mann kommt vom Gottesdienst nach Hause kommt und sagt: „Heute hat der Pastor über 30 Minuten gepredigt.“ „Worüber denn?“, fragt die Ehefrau. Und der Mann antwortet: „Das hat er nicht gesagt.“ „Homiletik der Langeweile“ weiterlesen
Pfingstpredigt
Mini-Knigge – Regel 8: Blickkontakt suchen
Suche und halte Blickkontakt. Die Begegnung zweier Augenpaare ist ein kommunikatives Ereignis, das bei großen Gruppen unter besonderen Bedingungen stattfindet. Blickkontakt ist für die Liturgin oder den Prediger deshalb wichtig, weil sie so den Wunsch signalisieren, mit der Gemeinde in Verbindung zu treten und ihre Aufmerksamkeit zu fordern. Umgekehrt nehmen Hörerinnen und Hörer, die den Blick auffangen, die Kontaktaufnahme an und signalisieren, dem Liturgen oder der Predigerin Aufmerksamkeit zu schenken. Die Besonderheit in der Kommunikation mit großen Gruppen ist: Das Gegenüber des Redners ist die Gruppe als Ganzes, es sind nicht die vielen Einzelnen. In der Kommunikation mit einer Gruppe wandert deshalb der Blick, verweilt einen Augenblick, wenn sich die Augenpaare treffen und bewegt sich dann weiter. Auch wenn nicht alle einen Blick erheischen entsteht doch der Eindruck in der Gruppe, gesehen und wahrgenommen zu werden.
Zwar kann der Blickkontakt ganz ohne Worte auskommen, für den Gottesdienst ist aber sein Zusammenhang mit Worten und Gesten sowie mit der jeweiligen gottesdienstlichen Rolle von Bedeutung. Während für die Predigerin der Blickkontakt unverzichtbar ist, ist er für den Liturgen an einigen Stellen völlig unpassend. Das Grundprinzip ist: Blickkontakt ist immer dann wichtig, wenn Sprecher und Hörer direkt miteinander kommunizieren. Kommt mit Gott oder dem biblischen Text ein dritter Kommunikationspartner ins Spiel, wird der Blickkontakt bewusst reduziert. Auch wenn es wie das Natürlichste der Welt erscheint: Den Blickkontakt bewusst suchen und halten oder aber reduzieren bedarf einiger Übung, um natürlich zu wirken.
Eindeutige Beispiele für den Blickkontakte bei direkter Kommunikation sind natürlich Predigt und Ansprache, weil hier der Prediger sich persönlich und direkt an die Gemeinde wendet. Je mehr ein Prediger sich vom Papier lösen kann, desto stärker kann er seine Worten und Gesten mit Blicken unterstützen und verstärken. Auch in der liturgischen Wechselrede ist Blickkontakt wichtig, weil Liturgin und Gemeinde direkt miteinander kommunizieren. Zwar bedient die Liturgin sich etwa beim Eingangsvotum und dem liturgischen Gruß geprägter Sprache, spricht aber die Gemeinde an. Ihr Blick unterstreicht, dass die Gemeinde die Angesprochene ist und die Worte nicht ins Leere gesprochen werden. Aus dem Eingangsvotum „Im Namen des Vaters …“ wird durch den gesuchten Blick der Gemeinde die unausgesprochene Aufforderung „Lasst uns gemeinsam Gottesdienst feiern.“ Ähnlich ist es bei Einleitungen zu Gebet und Lesung wie „Lasst uns beten …“ oder „Die Lesung für den Sonntag XY steht bei …“.
Unpassend ist der Blickkontakt, wenn nicht die Gemeinde angesprochen wird, sondern Gott. Auch wenn viele in der Schule gelernt haben, beim Vorlesen aufzublicken: Wer im Gottesdienst beispielsweise bei der Fürbitte den Blick immer wieder hebt, macht aus dem Gebet eine Art Gedichtvortrag. In Schulgottesdiensten wird dieser Vortrag deshalb oft statt eines „Amen“ entsprechend durch Applaus gewürdigt. Auch bei der biblischen Lesung selbst sollte der Blickkontakt eingeschränkt oder eingestellt werden. Anders ist es bei biblischen Voten, die als Zuspruch gesprochen werden. Beim Gnadenspruch oder beim Sendungswort unterstreicht der Liturg durch den Blickkontakt den Zuwendungscharakter des biblisches Verses, wobei er als Botschafter auf den eigentlichen Sprecher verweist („Christus spricht: ‚Kommt her zu mir, …’“).
Mini-Knigge – Regel 7: Auf- und Abtritte minimieren
Reduziere Auf- und Abtritte auf ein Minimum. Jede Bewegung im Raum zieht die Aufmerksamkeit auf sich und sorgt für Unruhe. Das ist an sich nicht schlecht: Der Wechsel von Bewegung und Ruhe geben dem Gottesdienst Rhythmus und Struktur. Das Betreten und Verlassen des liturgischen Raums an den Schnittstellen der Liturgie betont den Rhythmus des Gottesdienstes und signalisiert Veränderung. Diese Wirkung sollte gewissermaßen als liturgische Choreographie bewusst einsetzt werden. Dazu ist es notwendig, Auf- und Abtritte bei der Planung des Gottesdienstes zu berücksichtigen und bei den verschiedenen Beteiligten zu koordinieren. Denn je mehr Menschen liturgische Aufgaben in einem Gottesdienst haben, desto gründlicher ist zu bedenken, wer wann mit wem den liturgischen Raum betritt oder verlässt.
Ein negatives Beispiel aus eigener Erfahrung mag verdeutlichen, wie Auf- und Abtritte das liturgische Geschehen beeinflussen können: Bei einem Weltgebetstagsgottesdienst vor einigen Jahren stand für die ca. 30 Beteiligten nur ein Mikro am Ambo zur Verfügung. Statt in kleinen Gruppen aufzutreten, trat jede der beteiligten Frauen allein an den Ambo, auch wenn der Text noch so kurz war. Das Dreifach-Kyrie zerfiel so in Einzelteile und konnte kaum als Zusammenhang wahrgenommen werden. Der Kyriegesang wurde dabei als Gelegenheit für den Abtritt der einen und Auftritt der nächsten Sprecherin genutzt. Einzig für die Fürbitten trat eine Gruppe nach vorn. Besser wäre es gewesen, die Einheit des Kyrie-Gebets durch das gemeinsame Auf- und Abtreten einer ganzen Gruppe zu betonen.
(Bedenkenswert sind übrigens auch die Bewegung von liturgisch nicht Beteiligten, zum Beispiel Fotografen bei Trauungen. Will man das Fotografieren nicht ganz verbieten, sollte klar abgesprochen werden, welche Bereiche des liturgischen Raums der Fotograf wann betreten darf und wann nicht, und aus welchen Bereichen er sich ganz rauszuhalten hat.)