Erzähler als Handwerker

Walter Benjamin denkt am Werk Nikolai Lesskows entlang über den Erzähler nach (in Illuminationen). Es gibt, so Benjamins These, immer weniger Menschen, die noch erzählen können: Die Kunst des Erzählens geht zu Ende. Damit geht eine wichtige Fähigkeit verloren, nämlich die, Erfahrungen auszutauschen. Ursache dafür ist, daß die Erfahrung an Bedeutung verloren hat. Wichtig hierfür die Erfahrung des (1.) Weltkriegs, die zum verstummen führte: „nicht reicher – ärmer an mitteilbarer Erfahrung“ (386) kamen die Soldaten aus dem Krieg.

Grundlage der Erzählung ist die von Mund zu Mund weitergegebene Erfahrung. Die Erzähler lassen sich in zwei Gruppen unterteilen, die Reisenden, die aus der Ferne berichten, und die Daheimgebliebenen, die Geschichten und Überlieferungen ihrer Umgebung kennen. Personifiziert sind die Gruppen in Seeleuten einerseits, im Ackerbauern andererseits. Zusammen kommen beide Gruppen im Handwerker, den wandernden Burschen und den seßhaften Meistern, die früher selber wanderten. „Wenn Bauern und Seeleute Altmeister des Erzählens gewesen sind, so war der Handwerksstand seine hohe Schule. In ihm verband sich die Kunde von der Ferne, wie der Vielgewanderte sie nach Hause bringt, mit der Kunde aus der Vergangenheit, wie sie am liebsten dem Seßhaften sich anvertraut.“ (387)