Theologisches Notizbuch #10

In Gottes Namen wird Gottesdienst gefeiert und Gott mit „Gott“ angeredet, aber dabei wird gerne keine Kleinigkeit übersehen: Anders nämlich, als der Gebrauch des Wortes zum Beispiel in der Gebetssprache nahelegt, ist „Gott“ kein Eigenname, sondern ursprünglich ein Gattungsbegriff. Die hebräische Gattungsbezeichnung ist „El“ oder auch das Pluralwort „Elohim“; von „El“ leitet sich auch das arabische „Allah“ ab. Die Welt der Bibel ist voller Götter, aber in den Geschichten der Bibel erweist der Gott Israels sich als der Mächtigste von ihnen. Zur Unterscheidung von Gott und den Göttern wenden die Autoren des Alten Testaments beim Gattungsbegriff „Elohim“ einen interessanten, sprachlichen Trick an: Ist vom Gott Israels die Rede, wird das Pluralwort „Elohim“ mit Verben im Singular verwendet. Ist dagegen von anderen Göttern die Rede, steht „Elohim“ in der Regel mit Verben im Plural. Der Gott, in dessen Namen wir Gottesdienst feiern und den wir im Gebet ansprechen, hat einen Namen.

Gottes Eigenname besteht aus vier hebräischen Konsonanten, die in lateinischer Schrift mit JHWH wiedergegeben werden. Anfangs wurde der Gott Israels auch mit diesem Eigennamen angeredet. Um einen Missbrauch des Gottesnamens zu verhindern (3. Gebot), wurde der Name tabuisiert – so sehr, dass heute unklar ist, wie der Name einmal ausgesprochen wurde. Die Bekannteste unter den irrtümlichen Lesarten ist „Jehova“. Sie geht zurück auf den jüdischen Brauch, beim Verlesen biblischer Texte statt des Namens das Ersatzwort „Adonai“ zu sprechen (das man mit „Herr“ wiedergeben kann). Außerhalb gottesdienstlicher Kontexte wird im Judentum mittlerweile selbst das Ersatzwort „Adonai“ nicht mehr gebraucht, sondern anstelle des Gottesnamens nur „HaSchem“ gesagt: „der Name“.

Die meisten deutschen Bibelübersetzungen verzichten auf die Wiedergabe des Gottesnamens. Sie übertragen die jüdische Weise, anstelle des Gottesnames „Adonai“ zu sagen, und geben den Gottesnamen mit den vier Majuskeln „HERR“ wiedergeben. Die unterschiedlichen Schreibweisen von „Herr“ z.B. in der Lutherbibel verweisen dabei auf unterschiedliche hebräische Wörter bzw. unterschiedliche Bedeutungen. Wo in der Hebräischen Bibel der Gottesname steht, steht im Deutschen „HERR“, wo das hebräische Wort „Adonai“ als Gottesanrede steht, heißt es „HErr“, während dort, wo sich das Wort „Adonai“ nicht auf den Gott Israels bezieht, „Herr“ steht. Wo also im Deutschen beispielsweise „der HERR, unser Gott“ steht, steht im Hebräischen der Name und der Gattungsbegriff „Elohim“.

Martin Luther schrieb einmal: Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.“ Diese Deutung des Wortes „Gott“ zeigt an, dass ein Gott vieles sein kann. Im Alten Testament war JHWH zunächst der Stammesgott Abrahams, Isaaks und Jakobs, genannt Israel. Als Gott unter Göttern erwies er sich den Nachkommen Israels später größer und mächtiger als anderen Götter. Am Ende der Entwicklung ist JHWH nicht nur der eine zu verehrende, sondern der einzig wirklich existierende Gott. Die anderen Götter galten als Erfindungen der Menschen, geschaffen aus Holz, Stein oder Metall wie das Goldene Kalb, oder als Naturdinge wie Sonne, Mond und Sterne, die der einzige Gott gemacht und ans Firmament gehängt hatte. Gemacht wurden die Götter durch „menschliche Kunst und Gedanken“ (Apg 17,29), sie waren „Nichtse“ (1. Chr. 16,26). Luther hat dafür das Wort „Götze“ erfunden, ein abfällige Variante des Wortes „Gott“. Erst indem der Gott Israels zum einzigen Gott wird, fallen Name und Gattungsbezeichnung zusammen, aber aus unterschiedlichen Gründen sollte der Unterschied im Hinterkopf bleiben. Ein Grund ist, die biblisch-immanente Biografie Gottes nicht zu vergessen.