Wittgensteins Arbeitsweise bestand darin „aus der großen Menge dessen, was er schrieb, kurze, unabhängige Stücke als relativ befriedigend auszuwählen und sie in Gruppen zusammenzuordnen“ (Anscomb und von Wright im Vorwort zu Zettel). In seinem Nachlass fand sich aber auch eine Schachtel mit überwiegend ungeordneten Zetteln, bei denen unklar geblieben ist, wozu Wittgenstein sie gesammelt hat. Es sind zum Teil Fragmente, die die Herausgeber erst ergänzen mussten. Aber das macht diese Zettel so spannend: Sie sind wie kleine Skizzen, die nicht den Wert einer großen Zeichnung haben, aber einen Gedanken erahnen lassen. – Schön ist diesem Zusammenhang das Verb „zusammenordnen“.
Wirklich gute Ideen …
Abgelegte Gedanken
Manchmal, wenn ich in alte Notizen schaue, entdecke ich abgelegte und zu unrecht vergessene Gedanken wieder. Oft frage ich mich allerdings auch: Was wollte ich damit sagen? Ich werde zu meinem eigenen Exegeten und wünsche mir, ich hätte mich damals klarer ausgedrückt. Am meisten nerven mich die Passagen, in denen ich ganze Abschnitte lang andere Positionen referiere, ohne zu einer eigenen Aussage zu gelangen. Ich erinnere mich an Gespräche mit Freunden, die meine Dissertation Korrektur gelesen haben und die ihren Finger permanent auf die Stellen gelegt haben, wo sie eine klare Aussage vermissten. Leider sind zahlreiche solcher Stellen in der Arbeit übrig geblieben, weil ich den Gedanken „irgendwie interessant“ fand. Jetzt sehe ich mehr und mehr: Es geht nicht darum, interessante Gedanken zu festzuhalten, sondern klar und knapp zu sagen, warum das interessant ist. Wenn keine klare Aussagen möglich ist, ist das ein deutliches Indiz dafür, dass ich (noch) gar nichts zu sagen habe. Abgelegte Gedanken sind potentielle Gedanken. Vielleicht müssen sie im Kasten reifen.
Zettel nummerieren
Wer einen Zettelkasten führt, wird in der Regel die Zettel einfach durchnummerieren: 1, 2, 3, 4, … Das geht, keine Frage, unendlich weiter. Will man später einen Zettel nachträglich einfügen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, aber am Einfachsten ist sicher, den Zahlen Buchstaben anzuhängen. So hat es z.B. Niklas Luhmann gemacht: 1, 1a, 1b, 2 … etc. Später kann man noch an 1a den Zettel 1a.1 anhängen so weiter unendlich verzweigen. Der Kasten wächst nach außen wie nach innen.
Soweit, so gut. Wer seinen Zettelkasten digital führen will, findet in Daniel Lüdeckes „Zettelkasten„-Programm eine geniale, weil einfache, aber effektive Umsetzung dieses Prinzips. Der digitale Zettelkasten ist einfach zu bedienen und erlaubt bei relativ geringem Arbeitsaufwand schnell von den großen, kreativen Möglichkeiten des Zettelkastens zu profitieren. Hier werden alle Zettel nach der Reihenfolge ihres Einstellens nummeriert: 1,2,3 … Eine nachträgliche Einsortierung hinter einen bestehenden Zettel ist nicht möglich – aber letztlich auch nicht nötig, weil einerseits über die Schlagworte, andererseits über eine Folgezettelfunktion Verknüpfungen hergestellt werden können.
Jetzt kommt das Problem: Wer einen richtigen Zettelkasten mit echten Zetteln führt, kommt schnell an die Grenzen eines bloß Hinten-an-Sortierens: Die einfachen Verlinkungen funktionieren nicht. Man muss jeden Zettel von Hand herausnehmen. Da ist es oft sinnvoll, Zettel nach einem ersten Ad-Hoc-Empfinden einzusortieren: Hinten-an oder Zwischen-drin. Das kann man beim echten Zettelkasten problemlos machen, in der digitalen Umsetzung funktioniert das nicht (in einer älteren Version ging das noch). Da es kein eigenes Feld für manuelle Zettelnummern gibt, das später sortierbar ist, bleibt nur die Möglichkeit, das Feld Zettelüberschrift dafür zu verwenden. Aber ach: Die Sortierung des Feldes erfolgt alphabetisch, Zahlen werden von 0-9 sortiert. So ergibt sich die Reihenfolge 1, 10, 2, … Die Zettelordnung ist perdu.
Nach einigem Tüfteln habe ich mein System für Nummern herausgefunden. Es funktioniert nun nach folgendem Schema: 01.01.001. In Kombination mit Zahlen, etwas 01a.01a.001a lassen sich fast unendlich viele Zettel in Kästen einbringen.
Natürlich könnte man nach Deweys System zählen: 1, 1.1, 1.11, aber das ist Umständlich zu handhaben und schnell missverständlich: Der Zettel 1.11 sieht aus wie eine Unterordnung unter 1.1. Auch das System 1, 1.1, 1.1.1 ist kompliziert und wirkt hierarchisch.
Die Nummerierung, die ich jetzt anwende, scheint mir dagegen sehr flexibel: Die erste Zahlengruppe markiert den Kasten, die zweite Zahlengruppe markiert eine thematische Gruppe, die dritte Zahlengruppe einzelne Zettel. So sind zunächsteinmal 100 Kästen von (00-99), pro Kasten 100 thematische Gruppen und pro Gruppe 1000 Zettel möglich. Das ist eine ganze Menge. Will man nun einen Zettel einfügen, lässt sich einfach ein Buchstabe anhängen 01.01.001a. Auch an die Gruppen lassen sich Gruppen anhängen 01.01a.001. Das gleiche gilt für die Kästen. Damit ist der Zettel zwar nicht unendlich, aber praktisch unendlich befüllbar. Unterschiedliche reale Kästen, auch mit unterschiedlichen Formaten, lassen sich so in einem System kombinieren.
Das Grundprinzip ist, dass in der Regel ein Zettel einem bestehenden Zettel angehängt wird. Theoretisch sind zwar auch Vorsortierungen möglich, aber m.E. wenig sinnvoll.
Mit dem Umweg über den Zettelkasten von Daniel Lüdecke habe ich damit für mich ein weiteres Problem gelöst: Manche Notizen tippe ich in der Textverarbeitung und stelle den Absätzen Nummern voran. Die Sortierung der Absätze war dabei immer ein Problem, weil sie ebenfalls Alphabetisch funktionierte. Das geht nun auch nach dem gleichen System.
Mit der Feder denken
Wittgenstein schreibt: „Ich denke tatsächlich mit der Feder, denn mein Kopf weiß oft nichts von dem, was meine Hand schreibt.“ (in den „Vermischten Bemerkungen“) – Schreiben ist mehr als seine Gedanken zu Papier bringen. Wenn man erst denkt und dann schreibt, weiß man beim Schreiben schnell nicht mehr, was man gedacht hat. Es ist mehr sowas wie die „Verfertigung des Gedankens beim Schreiben“.
[siehe auch: Predigen und Schreiben]
Roman vs. Erzählung
Der Roman, so Benjamin, stiehlt der Erzählung zu Beginn der Neuzeit die Bedeutung. Anders als die Erzählung geht der Roman weder aus der mündlichen Tradition hervor, noch mündet er in mündliche Tradition. Der Roman bleibt wie der Romancier für sich: „Die Geburtskammer des Romans ist das Individuum in seiner Einsamkeit, das sich über seine wichtigsten Anliegen nicht mehr exemplarisch auszusprechen vermag, selbst unberaten ist und keinen Rat mehr geben kann.“ (Der Erzähler, 389). – Die epische Breite verbietet ja auch ein Nach- und Weitererzählen. Interessanter Weise heißt im Englischen der Roman oft „Novel“, während die Novelle als Erzählform eine Ungeheuerlichkeit preisgibt, die gut erzählbar ist. – Die Frage ist für mich allerdings, ob man das heute noch so sehen kann wie Benjamin. Die Prämisse eines Romans – ist das nicht seine Botschaft, sein Rat, seine Weisheit? Oder ist das schon der durch den Film wieder erzählerisch gewordene Roman?
Blick in die Romanwerkstatt
„[E]in Roman ist die Erschaffung nicht eines Augenblicks oder einer Szene“, sagt Hanns-Josef Ortheil, „er ist die Erschaffung eines poetischen Universums.“ (S. 48) In Vorlesungen und Seminaren haben der Schriftsteller Ortheil und der Lektor Klaus Siblewski einen Einblick in diesen Schöpfungsprozess geben, und legen den Ertrag nun in zweimal vier Vorlesungen schriftlich vor. Angefangen bei den ersten Ideen bis hin zu den Phasen des Lektorats zeichnen sie wesentliche Elemente der Manuskriptentwicklung nach. Im Zentrum stehen dabei vor allem die typischen Probleme, die bei einem Großprojekt wie einem Roman entstehen. Viele Beispiele aus der Schreibpraxis bekannter Autoren illustrieren das. Als Hauptproblem erweist sich dabei der Umgang mit der Stofffülle.
Ortheil sieht den Romanschriftsteller als einen Menschen mit einer Veranlagung zum Sammeln, Notieren und Skizzieren. Der Romanschriftsteller hat ein enzyklopädisches Interesse (S. 34): Er studiert die Welt, indem er wahllos Detailbeobachtungen sichtet und in Form von Notizen festhält, ohne sie sofort in Beziehung zueinander zu setzen oder zu ordnen. In seiner Roman-Werkstatt entsteht so ein „ein unübersichtlicher, labyrinthischer Bau von Notizen, Aufzeichnungen, Skizzen, Fragmenten, Plänen oder Tagebuch-Elementen, der nie an ein Ende kommt“ (S. 15), sondern immer weiter wächst und wuchert.
Aus diesem Fond, diesem enzyklopädischen Archiv an Beobachtungen und Erinnerung (S. 25) entstehen immer neue Ideen und Einfälle für Romane. Da, wo sich Detailbeobachtungen, Szenen, Bilder (Ortheil spricht von „Welt-Folien“) verdichten entsteht ein „Faszinosum“ (S. 54), aus dem Fragen hervorgehen, die in verschiedene Richtungen locken: Wie könnte eine Notiz weiter geschrieben werden? Welche Konstellationen von Figuren sind denkbar? Wie können die Räume der Romanwelt betreten werden? (S. 62) Der Schriftsteller lässt sich auf Spuren locken, denen er folgt und von denen er immer weiter hingezogen wird in die Romanwelt, bis er sie kartografieren kann: Aus den Spuren der Geschichte entstehen mentale Karten, Bauskizzen, Baupläne, die die Bausteine der Geschichte zu einer Gesamt-Architektur zusammenfügen (S. 103f). Irgendwann ist es dann soweit, dass erste Sätze, Kapitelinhalte etc. plötzlich da sind und der Roman Gestalt anzunehmen beginnt (S. 113).
Die beiden Vorlesungsreihen sind inhaltlich wie formal recht unterschiedlich, bei zahlreichen Überschneidungen und Bezugnahmen. Ortheils vier Vorlesungen behandeln das „Notieren und Skizzieren“, „Figuren, Räume, Texte“ sowie das „Spuren suchen“ und schließen mit einer „Entstehungsgeschichte“, die auf amüsante Art den zuvor beschriebenen Prozess des Hineingezogenwerdens des Autors in eine Geschichte erzählerisch nachbilden. Siblewski schreibt wesentlich nüchterner über die „Poetische Vision“ eines Autors, das „Recherchieren, Konzipieren“, das „Schreiben, Gliedern, Entwerfen“ bis hin zum „Redigieren“. Gemeinsam sind den beiden Teilen die zahlreichen Beispiele von Schriftstellern, die Einblick nicht in die fertigen Werke, sondern in die Notizbücher und Ideensammlungen geben. Das ist spannend und außerordentlich lehrreich, weil einmal das Rohe und Unbehauene des ersten (und manchmal verworfenen) Notats im Mittelpunkt steht, nicht das schon viele Überarbeitsphasen durchlaufene Endergebnis.
Inhaltliche Gemeinsamkeit entsteht bei der Erörterung des zentralen Problems der Romanentstehung, wie die Menge an Material überblickt werden kann. Dabei gibt es allerdings keine praktischen Tipps, wie eine erzählerische Ordnung hergestellt werden kann, sondern diese Arbeit wird als das eigentliche Abenteuer und Wagnis des Schreibens behandelt: „[W]ie organisieren sich Autoren ihre Arbeit, dass sie auf diese erzählbare Ordnung stoßen und sie dann auch realisieren können. Genauer: Wie sie ins dauerhafte und zu einem guten Ende führenden Erzählen gelangen? Dieser Frage stellt sich mit jedem Roman neu, und das bedeutet: Autoren beginnen an jedem neuen Roman zu arbeiten, als seien sie Debütanten in diesem Fach. Sie können nicht auf Erfahrung zurückgreifen und müssen mit ihrem Projekt wieder lernen, wie es sich zu einem literarisch befriedigenden Resultat bringen lässt“, schreibt Siblewski (S. 197).
Es ist gerade dieser Aspekt des Buches, der die Vorlesungen auch für Predigerinnen und Prediger spannend macht: Eine Predigt ist im Stoffumfang zwar in keinster Weise mit dem Roman zu vergleichen, aber vieles von dem, was insbesondere Ortheil über die Roman-Werkstatt schreibt, gilt für die Predigt-Werkstatt in gleicher Weise: Die Arbeit in der Predigt-Werktstatt beginnt nicht mit der nächsten Predigt, sondern das unentwegte, noch ziellose Sammeln, Notieren und Beobachten ist der Fond und Reservoire, aus dem immer neu Predigten entstehen.
Fazit: „Wie Romane entstehen“ gewährt einen aufschlussreichen Einblick in die Werkstatt des Roman-Schriftstellers. Auch wenn der Schwerpunkt natürlich deutlich bei der Roman-Entstehung liegt, sind die Einsichten auch für das Handwerk des Predigens interessant, weil Prediger und Schriftsteller viele gleiche Werkzeuge gebrauchen. Praktische Anleitungen wird man allerdings nicht finden, sondern vorwiegend theoretische, aber bedenkenswerte Reflexionen.
Ortheil, Hanns Josef / Siblewski, Klaus: Wie Romane entstehen, München: Luchterhand, 2008. ISBN 978-3-630-62111-1 | 10 € | 283 Seiten [Amazon-Link]
Einfallsreich argumentieren
„Einfallsreich argumentieren“ wäre der bessere Titel für Frank Cioffis Buch „Kreatives Schreiben für Studenten und Professoren – und würde auch dem englischen Originaltitel The Imaginative Argument eher entsprechen. Zwar kommt das Buch wie eine Einführung ins wissenschaftliche Schreiben daher, aber es lässt sich nicht darauf reduzieren. Wer nicht-fiktionale Texte schreiben will – egal ob Student, Professorin oder Prediger – findet in Cioffis Buch wertvolle Hinweise und Anregungen. Nicht-fiktionale Texte kreativ schreiben heißt für Cioffi originell, überraschend und eben einfallsreich zu argumentieren. Doch an Einfallsreichtum und Vorstellungskraft, so Cioffis These, mangelt es den meisten argumentativen Texten.
Cioffi räumt mit dem alten Missverständnis auf, beim wissenschaftlichen Schreiben gehe es darum Fakten zu reproduzieren. Statt in einem Essay immer nur Bekanntes zu wiederholen, geht es für den amerikanischen Schreiblehrer darum, die „eigenen Gedanken ausarbeiten, eigene Urteile [zu] fällen [..]“ und Texte so zu betrachten „als ob sie aus einer fernen Vergangenheit direkt zu einem sprächen“ (12) Ein Essay sollte sich daher nicht mit Oberflächlichem, Offensichtlichem und Selbstverständlichem befassen, sondern soll „etwas enthüllen, das Sie entdeckt haben“ und „beweisen, dass das, was Sie entdeckt haben, Bedeutung und Resonanz besitzt“(34).
Kernpunkt von Cioffis Ansatzes ist der Umgang mit Thesen: „Die These bildet das Herzstück, das bleiben würde, wenn sie Ihren Aufsatz auf nur zwanzig, dreißig oder vierzig Wörter zusammenstreichen, wenn Sie sie auf ihre Essenz destillieren müssten.“ (75) Die These in einer einfallsreichen Argumentation soll provozieren, interessieren und verblüffen. Sie soll „einem Publikum etwas Komplexes, Interessantes und Neues vermitteln, noch bevor das Publikum sie wirklich versteht. Der Text, der aus einer solchen These entsteht, wird die Erklärung bieten […]“. (80)
Die Erklärung, die der Text bietet, macht den eigentlichen Inhalt des Essays aus. Die These bildet den roten Faden der Argumentation und sie läuft am Ende auf etwas hinaus, was Cioffi die Delta-These nennt – eine durch Beispiele gestützte wie durch Gegenargumente veränderte These. Die einzelnen Argumentationsschritte bilden dabei im Kleinen die Grundstruktur von These, Hauptteil und Schluss ab: Jeder Absatz ist „eine Art Miniaufsatz“ mit eigener These (Hauptaussage genannt) und Delta-These. Durch diese Struktur bekommt der ganze Aufsatz etwas dynamisches und immer weiter nach vorne drängendes. Die These wird also nicht einfach nur erklärt, sondern tatsächlich entwickelt und entfaltet – bis zur überraschenden Schluss-Folgerung.
Die Dynamik dieses einfallsreichen Argumentierens entsteht aus einer dialogischen Grundhaltung: Eine These wird in „Auseinandersetzung mit einem Publikum„ (83) entwickelt, und zwar indem der Essayschreiber zum einen Fragen aufwirft aber auch sensibel mögliche Erwartungen und entstehende Fragen des Publikums aufnimmt, provisorische Antworten gibt und diese wieder im Wechsel von Frage und Antwort weiter treibt. Das dialogische Denken erfordert eine skeptische Haltung auch gegen sich selbst: „Hinterfragen Sie, was Sie tun, was Sie geschrieben haben, welche Argumentationswege Sie eingeschlagen haben,“ rät Cioffi, „Denken Sie ernsthaft darüber nach, welche Einwände man gegen Ihre Gedanken haben, welche Gegenbeispiele es geben könnte und wie Sie Ihren Standpunkt modifizieren, sich selbst verteidigen können.“ (258) So entsteht eine Dynamik, die das Publikum genauso überraschen kann wie den Autor.
Nicht nur Studentinnen und Professoren können von Cioffis sehr praxisorientieren Überlegungen profitieren, auch für Pastorinnen und Prediger ist das Buch überaus hilfreich. Zwar deutet sich an einer Stelle an, dass Cioffi Predigen für das genaue Gegenteil von dem hält, was er vorschlägt (für ihn heißt Predigen einem freundlich gesinnten Publikum einen paar Selbstverständlichkeiten zu sagen; vgl. S. 47), aber hier wäre eher zu fragen, ob ein solches Predigen nicht defizitär ist. Wenn Predigen im Unterschied zu Cioffis Nebenbemerkung im Kern das Weitersagen einer neuen, überraschenden und auch provokanten Botschaft ist, dann wird es nicht überraschen, dass sich viele Überlegungen Cioffis unmittelbar auf das einfallsreiche Predigen übertragen lassen. Sicherlich geht Predigt nicht allein in Argumentation auf, doch macht das Argumentieren für eine Aussage doch einen wesentlichen Anteil aus. Dabei kann insbesondere der dialogische Ansatz für die oft recht monologische Predigt sehr inspirierend sein. Darüber hinaus deutet Cioffi in einem kleinen Exkurs über „kreative Nonfiction“ an, wie auch der lyrische und narrative Essay von den Grundgedanken des einfallsreichen Argumentierens profitieren kann. Auch wenn Prediger also nicht zur Zielgruppe gehören: Sie können als Leser nur von der Lektüre profitieren.
Fazit: „Kreatives Schreiben für Studenten und Professoren“ ist eine hervorragende Anleitung in das Entwickeln und Schreiben nicht-fiktionaler Texte wie wissenschaftliche Aufsätze und auch Predigten. Das Buch bietet eine praktische Anleitung zum einfallsreichen Argumentieren und kann dabei helfen, einen eigenen Standpunkt zu finden und klar, verständlich und am Ende auch überzeugend zu formulieren.
Cioffi, Frank L.: Kreatives Schreiben für Studenten und Professoren,
Berlin : Autorenhaus 2006. ISBN3-86671-004-6| 16,80 € | 305 Seiten
[Amazon-Link]
Zeitungsmeldung
Eine häufige, vielleicht schon zu häufig eingesetzte Methode imitierenden Schreibens ist die Zeitungsmeldung – v.a. im Stile der BILD-Zeitung. Trotzdem kann das Verfahren nach wie vor brauchbar sein.
Die Methode eignet sich gut für den Unterricht: Schon jüngere Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, diesen Stil – orientiert an den W-Fragen – zu kopieren.
Wort zum Sonntag schreiben
Das „Wort zum Sonntag“ schreiben spricht für sich. Durch die ironische Distanz zum Text fällt es leichter, einen Text schnell zu produzieren. Die Methode kann helfen, eigene Predigtklischees frei zu legen.