Theologisches Notizbuch #2

Man kann sagen: Jeder Mensch glaubt. Allerdings heißt das nicht: Jeder Mensch ist religiös. Religion und Glaube sind nicht das gleiche.

Religion ist immer Teil einer Kultur, aber nicht jeder Teil einer Kultur ist für alle in gleicher Weise bedeutsam. Der Bereich des Religiösen lässt sich zudem weder innerhalb eines Kulturraumes noch kulturübergreifend klar eingrenzen. Vielleicht kann man sich mit einer Metapher behelfen, um den Bereich des Religiösen zu umreißen. Ludwig Wittgenstein hat in Bezug auf Spiele einmal von „Familienähnlichkeiten“ gesprochen, weil es nichts gibt, was allen Spielen gemeinsam ist. Mit der Religion verhält es sich ähnlich: Weder der Glaube an Gott, noch an ein Leben nach dem Tod, weder die Konzepte von Sünde und Vergebung, noch Phänomene wie Gottesdienst und Gebet gibt es in allen Religionen. Aber so wie sich Familienmitglieder ähneln, gibt es auch im Bereich des Religiösen Ähnlichkeiten – mal mehr, mal weniger. So lässt sich der Bereich des Religiösen markieren ohne scharfe Grenzen zu ziehen (vgl. #6). Was Menschen glauben, das überschreitet aber die umgrenzten Bereiche des Religiösen und durchzieht alles kulturelle.