In der Schreibwerkstatt

Werkzeuge und Orte schreiben mit

Ob wir einen Laptop benutzen oder das Smartphone, mit einem Bleistift etwas in ein Notizbuch kritzeln, mit dem Füllfederhalter in eine elegante Kladde schreiben oder gar eine alte Schreibmaschine benutzen: Das Schreiben wird durch das verwendete Material beeinflusst.

Friedrich Nietzsche benutzte aufgrund einer zunehmenden Sehbehinderung eine Schreibkugel, einen Vorläufer der mechanischen Schreibmaschine, die nur Großbuchstaben kannte. In einem Brief an seinen Sekretär hämmert er in die Maschine: „UNSER SCHREIBZEUG ARBEITET MIT AN UNSEREN GEDANKEN.“ Lange, verschachtelte Sätze gingen mit so einer Maschine nicht locker von der Hand. Zudem hatte die Maschine mechanische Tücken.

Die Schreibwerkzeuge bestimmen den Prozess des Schreibens mit. Ob man auf einen Bildschirm schaut, in ein kleines Notizbuch schreibt, Post-its, Schmierzettel oder handgeschöpftes Papier verwendet macht einen Unterschied. Das gilt natürlich auch für Software: Es ist anders, mit einer Textverarbeitung wie Word zu schreiben oder mit einem minimalistischen Programm wie FocusWriter, das ein ablenkungsfreies Schreiben verspricht.

Auch die Qualität der Schreibwerkzeuge und -materialien hat Einfluss auf den Schreibprozess. Walter Benjamin jedenfalls rät: „Meide beliebiges Handwerkszeug. Pedantisches Beharren bei gewissen Papieren, Federn, Tinten ist von Nutzen. Nicht Luxus, aber Fülle dieser Utensilien ist unerläßlich.“ Es lohnt sich, mit unterschiedlichen Werkzeugen zu experimentieren, um herauszufinden, wie man damit arbeiten kann.

Hier ein paar Anregungen:

  • Stifte mit Minen: Bleistift, Druckbleistift, Buntstift, Textmarker
  • Stifte mit Federn: Schreibfeder, Füllfederhalter, Federkiel
  • Stifte mit Kugeln: Kugelschreiber, Tintenroller, Gelstift
  • Stifte mit Fasern: Filzstift, Fineliner, Pinselstift, Marker, Textmarker (Ich nehme keine Faserstifte, sondern die buntstiftähnlichen Stabilo Greenlighter oder den Textliner Dry von Faber-Castell.)
  • Maschinen: mechanische, elektrische Schreibmaschine
  • Computer: PC, Laptop/Notebook, Tablet (mit Bildschirmtastatur, externer Tastatur, Digital Pen)
  • Papiere: Notizbuch (verschiedenen Größen), Schreibheft, Haftnotizen, Schreibblock, loses Schreibpapier (verschiedener Grammaturen und Größen)
  • Software: Texteditor, minimalistische Schreibprogramme[ FocusWriter, Writemonkey.], Office-Pakete wie Microsoft 365, OpenOffice, LibreOffice oder Autorensoftware wie Scrivener, Ulysses, Papyrus.], Mindmapping-Programme wie MindManager, Freeplane, Freemind, Scapple.]

Zu den Schreibwerkzeugen gehören noch eine Reihe anderer analoger und digitaler Hilfsmittel. Dazu gehört auf jeden Fall das schon erwähnte Notizbuch. Varianten sind Predigtkladden und Arbeitsjournale. Wer mit einzelnen Zetteln arbeitet, für den kann eine Pin- oder Magnetwand hilfreich sein. Ein besonders mächtiges Werkzeug ist ein Zettelkasten.

Für das Arbeiten mit Sprache sind natürlich auch sehr klassische Werkzeuge nützlich: Wörterbücher und andere Nachschlagewerke wie Thesaurus oder ein Reimlexikon. Dabei geht es nicht um das Nachschlagen im Blick auf Orthografie und präzise und treffende Ausdrücke. Wörterbücher haben auch ein kreatives Potential, weil ich mit ihrer Hilfe neue und unbekannte Wörter finden kann.

Unverzichtbar ist heute auch der Einsatz von Internetseiten. Schon allein der Umstand, dass viele gute Wörterbücher und Nachlagewerke im Internet zu finden sich, zeigt, wie wichtig eine Netzverbindung zum Schreiben sein kann. Dazu gehören

Nicht nur das benutzte Schreibzeug wirkt sich auf das Schreiben aus: Die gesamte Schreibsituation bildet den Kontext des Schreibens. Der Literaturwissenschaftler Rüdiger Campe betont zum Beispiel, dass zum Schreiben nicht nur die Sprache gehört (Buchstaben, Wörter, Sätze, Sinnzusammenhänge), sondern auch die Schreibinstrumente und die damit verbundene Geste des Schreibens. Campe verwendet für diesen Zusammenhang den Begriff „Schreibszene“. Man kann sich dabei durchaus eine Bühne vorstellen, auf der jemand das Schreiben in Szene setzt. Wie unterschiedlich wird es sein, wenn jemand etwas in eine Tontafel ritzt, mit dem Federkiel auf Büttenpapier kratzt, mit dem Kuli schreibt oder etwas in die Tastatur des Notebooks tippt. Inszenieren kann man dabei nicht nur das funktionierende Schreiben, sondern auch das Scheitern: der Unterarm, der beim Schreiben mit der Hand schmerzt, der Kuli, der nicht mehr schreibt oder der gestörte Schreibfluss, weil der oder die Schreibende nach passenden Ausdrücken für seiner Gedanken sucht. (Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass Campe zwischen „Schreibszene“ als dem allgemeinen Zusammenspiel der Elemente im Schreibprozess und „Schreib-Szene“ als dem Bewusstwerden einzelner Elemente durch Probleme und Widerstände unterscheidet.)

Für mich gehört zu dieser Szenerie auch noch der Ort, an dem geschrieben wird (am Schreibtisch, auf der Parkbank, im Zug oder Café, mit Fensterblick oder Blick auf die Bücherwand …), die Tageszeit (früher Morgen, Nachmittag, Nacht …) und die Schreibdauer (kurze Notiz von wenigen Sekunden, eine Gedankenskizze in 10 min oder stundenlanges Brüten).