Nicht immer nur „Bitte, bitte!“

Thesen zum Gebet im Gottesdienst

Beten im Gottesdienst ist etwas anderes als das persönliche Gebet. Als öffentliches Gebet ist es nicht nur ein Beten vor anderen, sondern auch für andere: Eine Liturgin oder ein Liturg spricht es stellvertretend für die Gemeinde, die im Idealfall innerlich mitbetet. Vor ein paar Jahren habe ich mit Prädikatinnen und Prädikanten in Gütersloh zur Gebetssprache gearbeitet. Die Thesen von damals habe ich jetzt nochmal überarbeitet und Prädikantinnen und Prädikanten in Münster als Impulsreferat und Gesprächsanstoß vorgetragen.

1. Mein Verständnis von Gebet prägt mein Beten.

Das deutsche Wort „Beten“ ist sprachlich mit der „Bitte“ verwandt. Viele Gebete sind an Gott gerichtete Bitten. Ist das Grundverständnis von Beten die Bitte, dann wird jedes Gebet in Form einer Bitte geäußert werden. (Das passiert dann z.B. Beispiel im sog. „Lassiv“: „Lass uns dies und jenes tun.“ Meistens steckt dahinter eine Aufforderung an Menschen, etwas Bestimmtes zu tun, sie wird aber als Bitte an Gott formuliert.)

Ist mein Verständnis von Beten ein „Sprechen zu Gott“, dann ist Beten deutlich mehr als Bitten. Beten ist auch Danken, Loben, Rühmen, Preisen, ist Klagen, Anklagen und Vorwerfen, ist Verhandeln, ist Mitteilen und Fragenstellen. Nimmt man ernst, dass Beten Sprechen zu Gott ist, dann kann jede Sprechhandlung Gebet sein, nur dass sie sich nicht an ein menschliches Gegenüber, sondern an Gott richtet. Gott ist der Adressat.

Mein Verständnis von Beten kann auch „Kommunizieren mit Gott“ sein. „Kommunizieren mit Gott“ klingt erstmal etwas umständlich. „Kommunizieren“ heißt von wortwörtlich „etwas gemeinsam machen“. Beten als Kommunizieren zu verstehen würde bedeuten, dass nicht nur der Mensch redet, sondern auch Gott. So ein Beten würde mit Antwort rechnen und dafür Raum lassen.

Wie auch immer ich Gebet verstehe: Es wird mein Beten prägen.

2. Das Gebet richtet sich an Gott.

Was das Gebet als Sprechhandlung ausmacht, ist, dass es sich an Gott richtet, der mir aber nicht gegenübersteht. In der Form gleicht das Gebet einem Selbstgespräch. Das war früher seltsamer, als es heute ist: Man begegnet manchmal Menschen, die mit sich selbst zu reden scheinen, dabei haben sie einen Knopf im Ohr, über den sie mobil telefonieren. Das Gebet richtet sich an Gott, der aber nicht unmittelbar antwortet. Es ist wie Reden mit jemandem hinter einer Wand, von dem ich nicht sicher weiß, ob da überhaupt jemand ist oder er oder sie mich hört. Ich wende mich an jemanden, den ich nicht sehe, nicht höre, von dem ich aber glaube, dass er oder sie mich hört.

Beim öffentlichen Gebet hören andere Menschen mit. Sie sind aber nicht die Adressaten meines Gebets. Manchmal kann man beobachten, wie ein Vater oder eine Mutter mit einem Kind spricht, aber man hat den Eindruck: Nicht das Kind ist der Adressat, sondern die Menschen, die mithören. Es ist eine Prüfung für das eigene, öffentliche Beten: Frag dich, wem du mit dem, was du sagst, etwas mitteilen willst. Viele Gebete kranken daran, dass sie der Gemeinde Informationen vermitteln („Viele Menschen in XYZ leiden unter ABC und brauchen 123 …“) oder Moderationsanweisungen geben („Gemeinsam beten wir mit den Worten, die dein Sohn uns gelehrt hat …“). Das Gebet mag zwar für die Ohren der Gemeinde bestimmt sein, sie hören aber nur mit, während der Adressat des Gebets Gott ist.

3. Das öffentliche Gebet ist ein stellvertretendes Sprechen zu Gott.

Das persönliche Gebet ist frei zu allem: Es betrifft nur mich und Gott.

Das öffentliche Gebet, zumindest im Gottesdienst, ist kein privates Gebet vor Zeugen, sondern ein stellvertretendes Sprechen zu Gott. Es zielt darauf, dass die, die mitbeten, zu meinem Gebet „Ja und Amen“ sagen können. Dafür sind drei Dinge hilfreich zu beachten:

a) Verwende eine einfache Sprache. Keine Fremdwörter. Normale Alltagssprache. Einfache Sätze mit maximal einem Nebensatz.

b) Lass Raum für Stille. Mach Pausen. Lass den Anderen Zeit, deinen Worten zu folgen. Lass Raum, den die Mitbetenden gedanklich mit eigenen Anliegen füllen können. Lass vielleicht sogar Raum dafür, dass Gott antworten kann.

c) Fasse dich auch im Gebet kurz. Ein Gebet sollte so kurz wie möglich und so lang wie nötig sein.

4. Beten ist eine Praxis, die man lernen kann und ständig weiterentwickeln muss.

Ein paar Tipps für die Gebetspraxis:

a) Benutze deine eigene Sprache. Überarbeite fremde Gebete, z.B. aus dem Ev. Gottesdienstbuch, so dass es der eigenen Sprache entspricht.

b) Mach dir immer wieder klar, für welche Ohren bestimmt ist, was du sagst. Verzichte auf Belehrungen. Im Gebet hat das weder Gott noch die Gemeinde nötig.

c) Arbeite mit Bausteinen. Man muss nicht jedes Mal alles neu schreiben. Du kannst zum Beispiel kurze, einzelne Fürbitten sammeln, thematisch sortieren und je nach Gottesdienst neu in ein Gebet einfügen.

d) Arbeite mit Strukturen. Es hilft den Mitbetenden, wenn Sie die Form und Struktur eines Gebets erkennen können.

e) Sammle deine Gebetstexte in einer Datei oder einem Zettelkasten, so dass du sich leicht wiederfinden, nach Inhalten suchen, und sie überarbeiten und neu kombinieren kannst.