Phasen im Schreibprozess


Beim Schreiben kann nicht alles gleichzeitig stattfinden, sonst besteht die Gefahr, sich zu verzetteln. Der Begriff des Verzettelns kommt aus der Weberei, wo ein Faden durch die „Zettel“ genannten Längsfäden geschossen wird. Dabei die Übersicht und den Faden zu verlieren, heißt, sich zu „verzetteln”.1 Methodisch schreiben heißt, das eigene Vorgehen beim Schreiben zu strukturieren. Die Einteilung des Schreibprozesses in Phasen kann dabei hilfreich sein, wobei jede und jeder das für sich selbst passende Prozedere herausfinden muss. Ulrike Scheuermann2 hat den Schreibprozess in sieben Phasen gegliedert, betont dabei aber: Diese Abfolge ist kein allgemeines Gesetz. Die Phasen müssen dem eigenen Schreibtyp angepasst werden. Bezogen auf das Schreiben eines Predigtmanuskripts lassen die Phasen sich wie folgt skizzieren.

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Homiletik als Wahrnehmungslehre

Notizen zu Hans-Günter Heimbrocks Predigtverständnis

Von David Buttricks Homiletik hieß es, es sei ein phänomenologischer Ansatz. Tatsächlich lassen sich bei Buttrick viele phänomenologische Bezüge ausmachen. Ähnlich gilt von Hans-Günter Heimbrock, der sich in seiner „phänomenologisch inspirierten“ Homiletik auf den Aspekt der Wahrnehmung konzentriert. Dazu ein paar Lektürenotizen.

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Wortspiele

Preacher-Slams scheinen gerade der „heiße Scheiß“ (Christian Binder) der Homiletik zu sein. Holger Pyka, Pfarrer in Wuppertal und selbst als Preacher-Slammer unterwegs hat nun ein Buch dazu herausgebracht: „Spiel mit dem Wort. Kreatives Schreiben für Predigt und Preacher-Slam“. Auf rund 170 Seiten skizziert Pyka knapp und pointiert, wie Preacher-Slam und Kreatives Schreiben die Predigtpraxis bereichern kann. „Wortspiele“ weiterlesen

Mit Kunst predigen

Kunst kann in vielfältiger Weise in der Predigt vorkommen. Man kann über ein Kunstwerk predigen oder mit Hilfe eines Kunstwerkes. Man kann mit einem Kunstwerk in Dialog treten oder gegen ein Kunstwerk anpredigen. Man kann ein Kunstwerk auslegen vor dem Hintergrund der Biographie des Künstlers, der Entstehungszeit oder eines künstlerischen Kontextes. Man kann sich schwerpunktmäßig auf das Sujet beziehen, auf Motive oder Symbole. Man kann explizit religiöse Kunst auslegen oder Kunst, die auf den ersten Blick keine religiösen Bezüge aufweist. Man kann über offensichtliche religiöse Motive eines Kunstwerks predigen oder predigend nach verborgenen religiösen Spuren suchen. Man kann ein Kunstwerk in Beziehung setzen zu einem Bibeltext, zu einem Choral, zur eigenen Person, zum Kirchenraum oder es für sich selbst stehen lassen. Noch gar nicht angesprochen ist dabei, was überhaupt unter einem “Kunstwerk” zu verstehen ist und wie es mit Kunst aussieht, die kein „Werk“ vorzuweisen hat. Kurzum: Die Umgangsweisen mit Kunst in der Predigt sind unendlich. „Mit Kunst predigen“ weiterlesen

Rhetorik des Zauderns

„Eine kleine Rhetorik“ nennt Dietrich Sagert sein Buch „Vom Hörensagen“, ein „Spielbuch“, wie er sagt, kein abgeschlossenes Werk. Und tatsächlich hat das Buch etwas verspieltes, aber es ist nicht das selbstvergessene Spiel eines Kindes, sondern eher ein selbstgefälliges Spielen mit kleinen Denkfiguren, Beobachtungen, Wörtern. Dieser Versuch einer homiletischen Avantgarde kann einem auf die Nerven gehen: der manierierte Schreibstil, das Hin und Herschieben postmoderner „Wortstellwände“ (vgl. 115), die ablenken wollen von den notierten Trivialitäten, das Sammelsurium an Zitaten, die mehr illustrieren als zeigen. Trotzdem ist Sagerts Buch gar nicht so schlecht, wie es auf den ersten Blick wirkt. „Rhetorik des Zauderns“ weiterlesen

Weites Feld, umgrenzter Raum

©frandi-shooters / flickr.com (CC BY-ND 2.0)

Ein Stichwort ist noch kein Thema, habe ich neulich behauptet [siehe Eintrag vom 26.2.2014], und ich will diese These hier auf Wunsch von @diakonisch einmal präzisieren. Hintergrund der Äußerung ist die Erfahrung, dass Themenvorschläge bei der Vorbereitung von Gottesdiensten, Unterricht, Gruppentreffen etc. oft in der Form von einzelnen Schlag- und Stichwörtern gemacht werden: „Lass uns doch mal was zum Thema X machen“ – wobei X für Liebe, Gerechtigkeit, Schöpfung, Frieden etc. steht. X, so mein üblicher Einwand, sei jedoch kein Thema, sondern erstmal nur ein Stichwort.

Stich- bzw. Schlagwörter sind oft zu allgemein, um klar zu machen, was Gegenstand eines Textes, einer Predigt, eines Gottesdienstes, einer Unterrichts- oder Gruppenstunde sein soll. Oder um es mit Fontanes Effie Briest zu sagen: „X ist ein weites Feld.“ „X ist ein Stichwort, kein Thema“ beinhaltet die Aufforderung, auf einem weiten Feld einen kleineren, bearbeitbaren Raum abzustecken.

Schlag- und Stichwörter können tückisch sein, wie gut zu sehen ist beim Reden nach Stichwörtern und Mindmaps: Die Notiz eines Stichwortes vermittelt leicht das Gefühl, einen bestimmten Gegenstand schon im Blick zu haben – doch bei der mündlichen oder schriftlichen Ausformulierung wird deutlich, wie wenig dies der Fall ist. Auch bei einer Mindmap ergibt sich der Sinnzusammenhang erst aus den Verbindungen der Stichwörter durch Verästelungen. Eine schlechte Mindmap sammelt bloß Stichwörter. Erst wenn Zusammenhänge erkennbar werden, wird klar, was eigentlich der Gegenstand ist. Und genau das sollte eine Themennennung leisten: Den Raum begrenzen, um den es geht. Sonst besteht die Gefahr, sich auf dem weiten Feld eines Schlagwortes zu verlaufen, zu verzetteln, zu viele Aspekte zu berücksichtigen und am Ende zu unkonkret zu bleiben.

Allerdings muss ich zugeben: Das Wort „Thema“ ist kein eindeutiger Begriff und er lässt sich nicht immer scharf abgrenzen zu Begriffen wie Motiv, Sujet oder Plot. So gibt es in der Literaturwissenschaft durchaus das Verständnis, allgemeinere Ausdrücke wie Liebe, Tod, Krieg als „Themen“ eines Werkes zu verstehen. Themen treten hier also in Form von Schlagworten auf. Davon unterscheidet sich das Verständnis, das Thema als Grundidee und Leitgedanken eines Textes zu verstehen: unerwiderte Liebe, Angst vor dem Tod, Brutalität des Krieges. Schon ein Adjektiv kann demnach aus einem Schlagwort ein Thema machen – wobei Schlagwortkataloge durchaus aus Begriffskombinationen und kurzen Redewendungen bestehen können.

Der Unterschied zwischen Schlag- und Stichwörtern ist demgegenüber einfacher zu erklären: Schlagwörter sind zu bestimmten Zwecken normierte Begriffe, z.B. für einen Zettelkasten oder eine Datenbank. So kann z.B. ein Artikel in diesem Blog mit einem bestimmten Schlagwort versehen werden, obwohl das Wort selbst im Artikel gar nicht vorkommt. Im Englischen spricht man von subject terms. Schlagwörter sind also Begriffe, die einen allgemeineren Gegenstand begrifflich auf den Punkt bringen. Stichwörter (engl. keywords) sind hingegen Wörter, die z.B. konkret in einem Text vorkommen. Die Möglichkeit moderner Datenbanken, eine Suche im Volltext durchzuführen, macht das Ausweisen von Stichwörtern daher fast schon überflüssig.

„Ein Stichwort ist noch kein Thema“ ist also ein eher polemischer Einwand, der streng genommen einen Kategorienfehler enthält: Themen können natürlich verschlagwortet und durch Stichwörter auf den Punkt gebracht werden. „Stichwort/Schlagwort“ und „Thema“ bilden eigentlich keinen Gegensatz. Schlag- und Stichwörter dienen aber für gewöhnlich anderen Zwecken als der Textproduktion, und für diese ist es zweckmäßiger, die Themennennung genauer zu fassen, indem besser eine knappe Redewendung, eine klassifizierte Aussage oder ein spannungsvolles Begriffspaar gewählt wird.

Warum die Unterscheidung von Thema, Schlag- und Stichwort wichtig ist, kann man sich einem konkreten Text wie Psalm 23 deutlich machen. Am einfachsten sind die Stichwörter des Textes auszumachen. Dazu gehören Hirte, Seele, Straße, Unglück, Öl, Barmherzigkeit. Schwieriger ist es schon, Schlagwörter zu benennen. Ihre Wahl hängt davon ab, zu welchem Zweck ein Text unter einen Begriff gebracht wird. Schlagwörter könnten z.B. „Geborgenheit“ oder „Trost“ sein: „Geborgenheit“ kommt zwar in dem Text nicht wörtlich vor, ist aber trotzdem „Thema“ des Textes; „Trost“ kommt wörtlich vor als Stichwort „trösten“. Natürlich könnte man ausgehend vom Text sagen, sein Thema wäre „Geborgenheit“. Umgekehrt ist mit dem Schlagwort allein thematisch aber noch nicht viel ausgesagt. Genauer wäre ein Ausdruck wie „bei Gott geborgen“ oder „von Gott behütet“. Natürlich sind auch andere Formulierungen des Themas möglich. Entscheidend ist: Die Themenformulierung sollte so kurz wie möglich, aber so ausführlich wie nötig sein.

Allerdings sollte der abgesteckte Bereich auch nicht zu eng sein. Ein Thema ist weder Titel noch These. Eine zu enge Themenstellung steht in der Gefahr, die These vorweg zu nehmen und sich zu stark zu binden. Das behindert den kreativen Umgang mit einer Sache. Sich mit einem Thema zu befassen sollte immer genug Raum bieten für Neues, Überraschendes, Ungedachtes und Unbekanntes. Die Möglichkeit, die eigene These noch in der Präsentation zu verwerfen und andere Schlüsse zu ziehen, hält die Arbeit an einem Thema für alle spannend.

Wenn ich also sage, etwas sei ein Stichwort, aber kein Thema, ziele ich auf einen bestimmten Zweck. Dieser Zweck ist bei der Themensuche ein anderer, als im Rahmen der literarischen Analyse eines vorliegenden Textes die enthaltenen Stoffe und Motive thematisch auf den Begriff zu bringen. Bei einer Analyse erfüllt es einen Zweck, typische Motive als thematische Schlagwörter zu benennen. Wer aber einen Gottesdienst, eine Predigt, eine Gruppen- oder Unterrichtsstunde vorbereiten will, verschlagwortet keinen vorhandenen Text, sondern muss im Gegenteil den Text erst noch erfinden. Hilfreicher und zweckmäßiger ist es dazu, mit der Themenformulierung auf den weiten Feldern der Stich- und Schlagwörter einen Raum abzustecken, der überschaubar ist und doch genug Platz bietet für Überraschungen und neue Entdeckungen.

Notizen zur Kunst der Predigt

Die sieben freien Künster. Kolorierte Federzeichnung (wikimedia)

Ist Predigen eine Kunst? Martin Nicol und Alexander Deeg verstehen das „Predigtmachen als Kunst unter Künsten“ und die Predigt als „Kunstwerk mündlicher Kommunikation“. David Buttrick, dem Nicol und Deeg den für ihren Ansatz zentralen Moves-Begriff verdanken, schreibt hingegen: „preaching is not an art“. Dieser Widerspruch lässt sich quer durch die homiletischen Diskussionen verfolgen, wobei die meisten Homiletiker einer oberflächlichen Schätzung nach eher für den Kunstcharakter der Predigt votieren – entweder explizit, wie in Marcel Martins Rede von der „Predigt als offenem Kunstwerk“, oder implizit in Josuttis Zordnung der Predigt zur Rhetorik, also zu den artes liberales.

Ob Predigen eine Kunst ist oder nicht hängt davon ab, was unter Kunst zu verstehen ist. Leider äußern sich die wenigsten Homiletiker dazu. Buttrick konkretisiert beispielsweise, Predigen sei keine literarische Kunst, sondern Reden („Preaching is not literary art, it is speaking“). Reden im Sinne der Rhetorik gehört aber klassisch zu den sieben freien Künsten. Darauf scheinen Nicol und Deeg anzuspielen, wenn sie Predigt als „Kunst unter Künsten“ sehen. Auch eine lange Listen homiletischen Ansätze und ihres Kunstbezugs könnte die Frage nicht klären, ob Predigt nun Kunst ist oder nicht, denn in jedem einzelnen Fall müsste erst einmal geklärt werden, was denn hier jeweils unter „Kunst“ verstanden wird.

Es gibt das umstrittene Diktum, Kunst komme von Können. Hartnäckig hält sich das Gerücht, es stamme von Goebbels oder Hitler und stünde im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Kampagne gegen eine angeblich „entartete Kunst“. Die Formulierung findet sich aber schon bei Herder. Im Künstler fallen bei Herder Können und Kenntnis zusammen. Wer nur Kenntnisse hat, ist ein reiner Theoretiker, und wer nur kann, ist bloß Handwerker. Für Kunst braucht es nach Herder daher beides: Können und Kenntnis. Aber auch wenn Herders etymologische Herleitung der Kunst von Können durchaus richtig ist, lässt sich das Phänomen der Kunst dadurch nicht umfassend beschreiben. Sonst endet man tatsächlich schnell bei der Diagnose einer Kunst als „entartet“. Die Frage wäre dann: Was ist Kunst über Können und Kennen hinaus?

Vor ein paar Jahren hat Evelyn Finger in der ZEIT darüber geklagt, viele gegenwärtige Prediger hätten sich aus der „großen deutschen Tradition der geistlichen Kunstrede verabschiedet“. Sie nennt als Beispiele für diese Tradition unter anderem Meister Eckhart, Luther, Herder und Schleiermacher. Einerseits sah Finger das der akuten Zeitnot geschuldet, andererseits erkannte sie auch Probleme in neueren homiletischen Ansätzen, die –  wie sie polemisch zuspitzte – zu „rhetorisch aufgemotzt(en)“, an den darstellenden Künsten orientierten und als Event inszenierte Predigten anleiten würden, theologischen Tiefgang aber vermissen ließen. In Fingers Kritik läuft der Widerspruch von Predigt als Kunst und der Kritik an einer Predigt, die kunstvoll sein will, auf seltsame Weise zusammen, weil sie im gleichen Text offenbar mit unterschiedlichen Begriffen von Kunst operiert. Was die Predigt zur Kunst macht scheint bei Finger das Wahre und theologisch Bedeutsame zu sein.

Christoph Menke bestimmt Kunst über eine enge Verbindung zur Freiheit: Kunst bedeutet, sich frei machen zu können von der Bedingtheit menschlichen Existenz. Durch die Einbildungskraft ist der Mensch in der Lage frei Bilder aus sich heraus hervorzubringen. Religiös gewendet könnte man sagen: Kunst transzendiert das Diesseits, in dem der Künstler sich ein Jenseits dieser Welt und ihrer Bedingtheit schafft, allein aus der Kraft seiner Einbildung. Würde man Predigt in diesem Sinne als Kunst verstehen – ein für manche sicher blasphemischer und dennoch reizvoller Gedanke – wäre dies etwas völlig anderes, als das, was Nicol und Deeg behaupten und Buttrick bestreitet.

Ist Predigen eine Kunst? Die Auseinandersetzung mit der Frage ist ein Kampf mit der Hydra, denn mit jedem Versuch einer Klärung taucht ein neuer, ungeklärter Begriff auf: Können und Kenntnis, Wahrheit und Freiheit. Das Problem ist, dass kein einheitlicher Begriff von Kunst vorliegt. Wer sagt oder bestreitet, dass Predigt Kunst sei, muss also eigentlich immer dazu sagen, in welcher Hinsicht er von Kunst spricht. In einer lockeren Folge von Notizen will ich dem in Zukunft etwas nachgehen.